Bauchlandung im Bundesrat

Berlin. Es ist ein Tiefschlag für den in Nordrhein-Westfalen als CDU-Spitzenkandidat antretenden Umweltminister Norbert Röttgen. Zwei Tage vor der Landtagswahl scheiterte am Freitag im Bundesrat der von ihm vorgelegte Gesetzentwurf zur Kürzung der Förderung von Solarstromanlagen an einer satten Zweidrittelmehrheit

Berlin. Es ist ein Tiefschlag für den in Nordrhein-Westfalen als CDU-Spitzenkandidat antretenden Umweltminister Norbert Röttgen. Zwei Tage vor der Landtagswahl scheiterte am Freitag im Bundesrat der von ihm vorgelegte Gesetzentwurf zur Kürzung der Förderung von Solarstromanlagen an einer satten Zweidrittelmehrheit. 48 der 69 Stimmen des Bundesrates forderten die "grundlegende Überarbeitung" des Vorhabens in einem Vermittlungsverfahren zwischen Bundesrat und Bundestag. Darunter auch etliche CDU-geführte Landesregierungen.Die hohe Neinstimmen-Zahl war vorher nicht absehbar und ist von großer Bedeutung. Bei dem Gesetz handelt es sich um ein sogenanntes Einspruchsgesetz. Bei solchen kann der Bundesrat mit Mehrheit ein Vermittlungsverfahren fordern, was der Bundestag jedoch relativ leicht mit einfacher Kanzlermehrheit kontern kann. Da hier nun aber der Einspruch mit Zweidrittelmehrheit erfolgte, müsste ihn im Bundestag eine ebensolche Mehrheit zurückweisen. Die aber hat die schwarz-gelbe Koalition nicht. Röttgen ist also gezwungen, sich einem echten Vermittlungsverfahren zu stellen und die Forderungen der Länder ernst zu nehmen. Die verlangen, die vorgesehene Kürzung der Solarförderung um 20 bis 29 Prozent deutlich abzumildern, den Wegfall der Vergütung für Großanlagen komplett zurückzunehmen und einen deutlich größeren Korridor für den Ausbau der Photovoltaik zu belassen.

Das Problem bei den Verhandlungen wird sein, dass Röttgens nun abgelehnter Vorschlag schon ein nur mühsam gefundener Kompromiss mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) war, der allerdings eine wesentlich stärkere Kürzung der Solarförderung verlangt hatte. Ziel der Länder ist ein "schnelles Ergebnis noch vor der Sommerpause", wie es hieß. Denn die Marktteilnehmer seien schwer verunsichert.

Begleitet war die Bundesratsabstimmung von heftigen Protesten von Beschäftigten und Anhängern der Solarwirtschaft vor dem Gebäude und einem ebenso heftigen Gerangel hinter den Kulissen. Vor allem Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) stand unter erheblichem Druck seiner Partei. Sein Land und Thüringen, beide von großen Koalitionen regiert, ergänzten die Ablehnungsfront der SPD- oder Grün-regierten Regierungen, wodurch die einfache Mehrheit für ein Vermittlungsverfahren schon gegeben war.

Auch bei einem Treffen der CDU-Ministerpräsidenten am Vorabend der Bundesratssitzung wurde auf Haseloff massiv eingeredet. Doch der Magdeburger Regierungschef und seine Erfurter Kollegin Christine Lieberknecht blieben stur. Beide CDU-Ministerpräsidenten verwiesen auf die große Bedeutung der ohnehin kriselnden Solarindustrie in ihren Regionen. Als diese beiden Länder mit CDU-geführten großen Koalitionen bei ihrem Nein blieben, schwenkten auch das ebenso regierte Saarland sowie die beiden SPD-geführten Großen Koalitionen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ein. Den letzten Ausschlag für die Zweidrittelmehrheit gegen das Gesetz gab das schwarz-gelb regierte Sachsen, während die schwarz-gelben Länder Bayern, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein dafür stimmten. Foto: Thissen/dpa

Meinung

Das blanke Chaos

Von SZ-KorrespondentWerner Kolhoff

Man darf die Abstimmungsniederlage der Bundesregierung im Bundesrat bei der Solarförderung durchaus als Klatsche werten. Selbst CDU-geführte Länder werfen Berlin mangelnde Sensibilität für eine Mittelstandsbranche, Gefährdung einer Zukunftstechnologie und Rücksichtslosigkeit gegenüber den Arbeitnehmern vor. Starker Tobak. Andererseits zeigt der Vorgang auch, dass diese Art der ideologisierten Energiepolitik endlich aufhören muss. Wie die einen den Solarstrom verteufeln und die anderen ihn anbeten, das hat fast missionarische Züge. Da muss Sachlichkeit rein: Ziele definieren, Prioritäten setzen, einen Gesamtplan machen. Stattdessen herrscht nun das blanke Chaos. Gratulation.

Hintergrund

Das Saarland hat sich mit der Mehrheit der Bundesländer dafür ausgesprochen, bei der Photovoltaik-Förderung den Vermittlungsausschuss anzurufen. Die Landesregierung will eine eigenständige Förderkategorie für Photovoltaikanlagen auf Konversionsflächen. Das können auch ehemalige Bergbau-Flächen sein. Hier plant die Grundstückgesellschaft des Kohlekonzerns RAG, die RAG Montan Immobilien, auf 310 Hektar im Saarland Sonnenstrom zu ernten. Ohne Sonderförderung wäre diese Investition gefährdet. low

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