Bangen um den Nationalhelden

Kapstadt · Südafrika kennt nur noch ein Thema: Nelson Mandela. Lebt der Nationalheld noch? Diese bange Frage überschattet auch den Besuch von US-Präsident Obama.

"Viva Mandela! Viva Mandela!", singen die bunt gekleideten Frauen vor dem Krankenhaus in Pretoria. Kinder bringen selbstgemalte Bilder, Teddybären, Puppen und Luftballons, andere Besucher legen Blumensträuße nieder, stellen Grußkarten auf. Die streng bewachte Klinik wird immer mehr zum Wallfahrtsort. Hinter den Krankenhausmauern ringt Nationalheld Nelson Mandela mit dem Tod. Ganz Südafrika ist aufgewühlt. Ob in Büros, Betrieben oder Amtsstuben, in den schäbigen Hütten von Townships wie Khayelitsha oder den luxuriösen Villen in Camps Bay oder Constantia: Alle verfolgen gebannt die Nachrichten. Allerorten wird über das Drama um den großen alten Mann Südafrikas diskutiert. "Lasst ihn doch endlich in Würde sterben", sagt die Geschäftsfrau Glini Le Roux in Kapstadt. Sie formuliert, was viele in diesen Tagen denken.

Mandelas schwerer Kampf beeinflusst zunehmend das öffentliche Leben. Südafrikas Politiker werfen derzeit alle Pläne um, wie Parteifunktionäre berichten. Nachdem Präsident Jacob Zuma am Mittwochabend an das Krankenbett Mandelas geeilt war, kündigte er seinen Verzicht auf die Teilnahme an einen regionalen Gipfeltreffen in Mosambik an. Viele werteten das als Zeichen dafür, dass es nun ernst werde, Mandela im Sterben liege oder gar schon tot sei. Gestern dann die Überraschung: Bei seinem zweiten Besuch Mandelas binnen 24 Stunden berichtete Zuma von einer Verbesserung des Zustands.

Das Thema überschattet auch den Besuch von US-Präsident Barack Obama, der heute mit einem Tross von über 1000 Personen in Johannesburg erwartet wird. "Die US-Diplomaten hier sind völlig aufgelöst", berichtet ein Amerikaner angesichts der enormen Probleme, die beim Tod Mandelas und der anschließenden Staatstrauer entstünden. Einig sind sich alle, dass das normale Programm mit Besuchen in Soweto, akademischen Ehrungen in Johannesburg und Kapstadt oder die geplante Grundsatzrede in Kapstadt (vermutlich zur Zukunft Afrikas) kaum umgesetzt werden könnte.

Manche glauben, dass sie vom Tod Mandelas profitieren können. Ein Mitglied der Jugendliga der ANC - der früheren Freiheitsbewegung und heutigen Regierungspartei - sprach vor Fernsehreportern aus, was vielleicht viele seine Parteifreunde denken: "Das Andenken an ‚Madiba' wird uns 2014 einen überwältigenden Wahlsieg bescheren, vielleicht sogar die Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament." Auch Oppositionspolitiker fürchten, dass Mandelas Tod eine gewaltigen Mobilisierungseffekt für den ANC mit sich bringen werde.

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