Bahn wegen Bespitzelung im Zwielicht

Berlin. Im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität will die Deutsche Bahn Vorbild sein. Mitte 2007 holte der Konzern deshalb den renommierten Frankfurter Korruptionsbekämpfer Wolfgang Schaupensteiner nach Berlin. Doch gestern musste sich der ehemalige Oberstaatsanwalt unangenehmen Fragen stellen

 Hat die Bahn Mitarbeiter ohne konkrete Verdachtsmomente beobachtet? Foto: dpa

Hat die Bahn Mitarbeiter ohne konkrete Verdachtsmomente beobachtet? Foto: dpa

Berlin. Im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität will die Deutsche Bahn Vorbild sein. Mitte 2007 holte der Konzern deshalb den renommierten Frankfurter Korruptionsbekämpfer Wolfgang Schaupensteiner nach Berlin. Doch gestern musste sich der ehemalige Oberstaatsanwalt unangenehmen Fragen stellen. Ist die Bahn - vor Beginn seiner Amtszeit - bei der Korruptionsabwehr zu weit gegangen? Dem Konzern wird vorgeworfen, etwa bis zum Jahr 2003 in mehreren verdeckten Aktionen eine Art Rasterfahndung von insgesamt mehr als 1000 Führungskräften vorgenommen haben. So sollten Hinweise auf Korruption in dem Unternehmen gefunden werden, das jährlich Aufträge in Wert von etwa 20 Milliarden Euro vergibt.

Ein Haken bei der Sache: Die Bahn informierte diejenigen Kollegen nicht, bei denen sich keinerlei Verdacht auf ein Fehlverhalten ergab. Das hat jetzt der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix kritisiert, der die Vorgänge überprüfte. "Wir haben bei der Bahn erhebliche Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz festgestellt", sagte er dem Magazin "Stern". Die Zeitschrift berichtet in ihrer jüngsten Ausgabe über die Mitarbeiterkontrollen und stellt sie in eine Reihe mit den Bespitzelungsaffären bei der Telekom und der Supermarktkette Lidl. Das ist für die Bahn "blühender Unsinn".

Schaupensteiner verwies darauf, dass der "Stern" nichts Neues herausgefunden habe: "Es handelt sich um den dritten Aufguss desselben Tees." In der Tat hatte der Konzern im vergangenen Juni über die Zusammenarbeit der Bahn mit der Berliner Ermittlungsfirma Network Deutschland berichtet. Klar wurde seinerzeit aber nicht, was genau Network für die Bahn tat. Network stand damals im Mittelpunkt der Bespitzelungsaffäre bei der Deutschen Telekom. Die Detektei erhielt von der Bahn nach deren Angaben 43 Aufträge in den Jahren 1998 bis 2007.

Ein Projekt hieß "Babylon". Network sollte dabei Verbindungen von Bahnmitarbeitern zu Lieferanten ermitteln. Hunderte Personen seien bei der Aktion im Jahr 2002 gerastert worden, berichtet der "Stern".

Bei der Operation "Eichhörnchen" 2003 ging es darum, wirtschaftliche Engagements von Topmanagern oder ihren Ehepartnern aufzudecken.

Schaupensteiner bestätigte, die Bahn habe die Wohnadressen, Telefonnummern und Bankverbindungen von Mitarbeitern mit denen von Lieferanten abgeglichen. Dies sei bei der Korruptionsabwehr "zulässig und erforderlich, um möglichen Interessenkonflikten auf die Spur zu kommen", sagte der 60-Jährige.

Die Berliner Datenschützer sehen das anders. Ohne Anhaltspunkte dürfe man Mitarbeiter nicht einfach so überprüfen, sagte Behörden-Vize Thomas Petri. Das Unternehmen müsse mit einem Bußgeld rechnen, weil es Kollegen mit blütenweißer Weste nicht nachträglich über die verdeckten Kontrollen informiert habe. Möglicherweise werde der Staatsanwalt eingeschaltet.

Bundestagsabgeordnete reagierten gestern verschnupft auf die neuen Erkenntnisse. Wenn gegen den Datenschutz verstoßen worden sei, "kann das nicht ohne Folgen bleiben", sagte Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU). Auch SPD, FDP, Grüne und Linke verlangten Aufklärung. Am Mittwoch kommender Woche will sich der Verkehrsausschuss mit der Angelegenheit befassen. Dabei sollen auch Schaupensteiner und Dix gehört werden.</bu_text></text>

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