Bahn hat Hitze-Probleme (fast) im Griff"Die Bahn hat ein Modernisierungs-Problem"

Berlin. Eigentlich ist es in den ICE-Zügen im Sommer häufig zu kühl, klagen Vielfahrer. Die Wagen werden laut Bahn bis auf 19 Grad heruntergekühlt. Seit rund zwei Wochen kämpft der Verkehrskonzern nun gegen das andere Extrem: knallheiße Wagen, weil die Klimaanlage ihren Dienst versagt. Gestern gab Bahnchef Rüdiger Grube vorläufig Entwarnung

 Helfer versorgen am Bahnhof Bielefeld zwei Schülerinnen, die in einem stark überhitzten ICE einen Kollaps erlitten haben. Jetzt gab die Bahn Entwarnung für das Klimaanlagen-Problem, doch die Bilder vom 10. Juli bleiben haften. Foto: dpa

Helfer versorgen am Bahnhof Bielefeld zwei Schülerinnen, die in einem stark überhitzten ICE einen Kollaps erlitten haben. Jetzt gab die Bahn Entwarnung für das Klimaanlagen-Problem, doch die Bilder vom 10. Juli bleiben haften. Foto: dpa

Berlin. Eigentlich ist es in den ICE-Zügen im Sommer häufig zu kühl, klagen Vielfahrer. Die Wagen werden laut Bahn bis auf 19 Grad heruntergekühlt. Seit rund zwei Wochen kämpft der Verkehrskonzern nun gegen das andere Extrem: knallheiße Wagen, weil die Klimaanlage ihren Dienst versagt. Gestern gab Bahnchef Rüdiger Grube vorläufig Entwarnung. Vor den Verkehrs- und Verbraucherschutz-Experten des Bundestages beruhigte er: Das Problem sei eingegrenzt. "In den letzten sechs Tagen hat es eine deutliche Stabilisierung der Lage gegeben." Das Zugpersonal kann mit einer entsprechenden Einstellung des Systems verhindern, dass es überlastet wird und sich selbst abschaltet. Die Anlagen müssen dabei auf eine weniger starke Kühlung eingestellt werden.

Die Suche nach den Verantwortlichen für die Pannenserie ist aber noch in vollem Gange. Sind die Anlagen zu alt, wurden sie vielleicht doch nicht gründlich genug gewartet? Oder ist doch der Hersteller schuld? In diese Richtung hatte Grube Andeutungen gemacht. Nach dem Treffen mit Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Abgeordneten aller Fraktionen in Berlin wollte er davon aber nichts wissen. "Wir sind mit der Industrie an einem Tisch", sagte er. An mangelnder Wartung habe es garantiert auch nicht gelegen. Das könne die Bahn für alle ICE-Züge nachweisen. Dennoch sieht Grube im eigenen Hause Verbesserungsmöglichkeiten. So könnten einzelne Komponenten häufiger ausgetauscht werden. Oder die Klimaanlagen in die Generalüberholung der ICE einbezogen werden, was bisher nicht so sei.

Die Bahnindustrie hob unterdessen hervor, sie liefere "keinen Schund". Bei den jetzt beanstandeten Klimaanlagen habe die Bahn selbst erklärt, dass kein Konstruktionsfehler vorliege, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bahnindustrie-Verbandes, Ronald Pörner, der "Berliner Zeitung". Er verwies darauf, dass die Unternehmen für die Züge und Komponenten nur Wartungsempfehlungen geben. Die Wartung selbst werde von der Bahn vorgenommen.

Grube bekräftigte, jede Klimaanlage, die ausfalle, sei eine zu viel. Doch versuchte er zugleich, die Verhältnismäßigkeit herzustellen. Jeden Tag gebe es 800 ICE-Fahrten, macht 11 200 in den vergangenen 14 Tagen. Dabei habe es 36 Ausfälle von Klimaanlagen gegeben. Haften geblieben sind jedoch die dramatischen Bilder am Bahnhof Bielefeld vom 10. Juli. Kollabierte Schüler aus einem überhitzten ICE wurden auf Tragen von Ärzten behandelt. Sie sollen nun immerhin ein Schmerzensgeld von 500 Euro erhalten. Die Zahlung soll nicht nur auf die Fahrgäste dieses Zuges beschränkt bleiben, sondern allen zugute kommen, die nach Klimaanlagen-Ausfällen Gesundheitsprobleme hatten. Auch ohne Attest, versicherte Grube. 300 haben sich schon gemeldet. Die Bahn hat eine umfassende Behebung der Mängel zugesagt. Außerdem zahlt sie Schmerzensgeld. Ist jetzt alles wieder im Lot?

Hermann: Es ist schon mal gut, dass gesundheitsgeschädigte Fahrgäste neben einer pauschalen Zahlung von 500 Euro auch zusätzlich angefallene Kosten etwa durch einen Klinikaufenthalt ersetzt bekommen. Der Ausschuss hat auch darauf gedrängt, dass Fahrgutscheine für Hitzeopfer eine längere Gültigkeitsdauer haben sollen als bislang geplant. Das will die Bahn prüfen. Unterm Strich ist sicher nicht alles in Butter, die technischen Mängel lassen sich nicht über Nacht beseitigen, aber das ehrliche Bemühen der Bahn um Abhilfe ist erkennbar.

Wer trägt die Verantwortung für den Ausfall der Klimaanlagen?

Hermann: Das war bislang nicht eindeutig feststellbar. Technische Mängel sind nie ausgeschlossen. Das grundlegende Problem ist, dass die Bahn über keine nennenswerten Zugreserven verfügt, weil schon die Radsätze und Achsen aus Sicherheitsgründen öfter überprüft werden müssen. Ein Teil der Züge steht daher ständig still. Kommt es noch zu zusätzlichen Ausfällen wie durch die Hitze, führt das zu Riesen-Problemen, weil man keine Ersatzzüge hat.

Viele ICE-Züge sind nur für Außentemperaturen bis 32 Grad ausgelegt. Das klingt nach einem Konstruktionsfehler.

Hermann: Die Zugbauer haben sich da in der Tat an eine europäische Richtlinie gehalten, die aber durch den Klima-Wandel überholt ist. Ab November werden alle ICE-Züge mit solchen Klimaanlagen überprüft. Unsere Forderung ist, dass diese Anlagen dann so aufgerüstet werden, dass sie auch mit Außentemperaturen von bis zu 40 Grad kein Problem haben. Aber darauf wollte sich die Bahn leider noch nicht festlegen. Ich finde, sie muss es tun.

Auffällig ist, dass weitere Pannen zuletzt ausblieben, obwohl es sich um dieselben Züge handelt. Wie erklärt sich das?

Hermann: Die Klimaanlagen waren so reguliert, dass sie sich bei entsprechender Hitze sofort abgeschaltet haben. Das ist jetzt korrigiert worden. Und das Zweite ist, dass es in den vergangenen Tagen nicht mehr ganz so heiß war wie noch am Katastrophen-Wochenende Anfang Juli. Das hat die Lage entschärft.

Die Bundesregierung plant eine Gewinnabgabe der Bahn von jährlich einer halben Milliarde Euro, um ihre Sparziele zu erreichen. Ist das ein Fehler?

Hermann: Es wäre ein kapitaler Fehler, wenn die Regierung daran festhält. Spätestens seit den Hitze-Pannen ist klar geworden, dass die Bahn ein Modernisierungs-Problem hat. Wenn sie auch noch als Melkkuh zum Stopfen von Haushaltslöchern missbraucht wird, sind die notwendigen Investitionen nicht zu stemmen.

 Helfer versorgen am Bahnhof Bielefeld zwei Schülerinnen, die in einem stark überhitzten ICE einen Kollaps erlitten haben. Jetzt gab die Bahn Entwarnung für das Klimaanlagen-Problem, doch die Bilder vom 10. Juli bleiben haften. Foto: dpa

Helfer versorgen am Bahnhof Bielefeld zwei Schülerinnen, die in einem stark überhitzten ICE einen Kollaps erlitten haben. Jetzt gab die Bahn Entwarnung für das Klimaanlagen-Problem, doch die Bilder vom 10. Juli bleiben haften. Foto: dpa

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