Außer Bildung und Forschung bleibt nichts verschont

Berlin

Berlin. Weil der Bund wegen der Schuldenbremse im Grundgesetz ab 2016 jährlich nur noch rund neun Milliarden Euro neue Schulden machen darf (0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts), es derzeit aber strukturell rund 60 Milliarden jährlich sind, war die Aufgabe eindeutig: Um das Ziel zu erreichen, muss in den nächsten fünf Jahren massiv gespart werden, beginnend mit elf Milliarden Euro weniger für den Haushalt 2011 und jeweils noch einmal zwischen sechs und acht Milliarden weniger in den folgenden Jahren. Bis 2014 hat die Bundesregierung diesen Sparpfad beschlossen. Hier die Ergebnisse:Soziales. Dieser Bereich trägt rund ein Drittel bei, vor allem die Arbeitsmarktpolitik. 2011 sind es fünf Milliarden Euro, allerdings wird es dann einen einmaligen Extra-Zuschuss zur Gesetzlichen Krankenversicherung von zwei Milliarden Euro aus Steuermitteln geben, sodass dem Sozialen unter dem Strich nur drei Milliarden Euro fehlen. 2014 beträgt der Sparbeitrag des Ressorts von Sozialministerin Ursula von der Leyen aber 10, 9 Milliarden. Dazu werden bisherige Pflichtleistungen der Bundesagentur für Arbeitslose, etwa die Pflicht, Qualifizierungsangebote zu machen, per Gesetzesänderung zu "Ermessensleistungen" umdefiniert. Der befristete Zuschlag zum Arbeitslosengeld II beim Übergang vom Arbeitslosengeld I wird ganz abgeschafft, ebenso der Zuschuss zur Rentenversicherung für ALG-II-Bezieher. Das Elterngeld wird ab 1240 Euro Nettoeinkommen von 67 auf 65 Prozent gekürzt und bei Langzeitarbeitslosen ganz gestrichen. Pläne, die Bezugsdauer des Elterngeldes zu verlängern, werden nicht mehr verfolgt. Der Heizkostenzuschuss beim Wohngeld wird gestrichen.Bundeswehr. Sie soll pauschal im nächsten Jahr 600 Millionen und dann anwachsend bis 2013 etwa 1,3 Milliarden Euro jährlich einsparen. Wie, das bleibt den Vorschlägen einer Reform-Kommission überlassen. Diese soll auch eine Verringerung der Zahl der Soldaten um 40 000 prüfen; die Aussetzung der Wehrpflicht sei in diesem Zusammenhang kein Tabu, hieß es.Wirtschaft. Sie soll 2011 rund 3,3 Milliarden Euro beitragen, die bis 2014 auf 5,0 Milliarden Euro anwachsen. Überraschend plant die Koalition jetzt eine Abgabe der Atomkonzerne im Umfang von 2,3 Milliarden Euro pro Jahr, und zwar unabhängig von einer Verlängerung der Laufzeit der Kernkraftwerke. Der Flugverkehr soll mit einer "ökologischen Luftverkehrsabgabe" belegt werden. Etwa zehn Euro pro Economy-Flug und 15 Euro pro Business-Ticket könnten fällig werden, um die geplante eine Milliarde Euro aufzubringen. Bei energieintensiven Betrieben werden Ausnahmen von der Ökosteuer teilweise gestrichen, was 1,5 Milliarden bringen soll. Nicht in der eigenen Hand hat die Koalition die geplante Einnahme in Höhe von zwei Milliarden Euro aus einer Beteiligung des Bankensektors an den Kosten der Finanzmarktkrise. Denn laut Merkel soll diese Transaktionssteuer europaweit eingeführt werden, was die Zustimmung der EU voraussetzt.Verwaltung. Die Zahl der Bundesbeamten wird um 10 000 bis 15 000 abgeschmolzen, außerdem wird die ihnen für 2011 schon zugesagte Erhöhung des Weihnachtsgeldes gestrichen. Das bringt zusammen 800 Millionen Euro. Pauschal sollen die Ministerien darüber hinaus 1,2 Milliarden Euro, anwachsend auf 2,8 Milliarden Euro bis 2014, einsparen. Dahinter verbergen sich Kürzungen, die den Ministern selbst überlassen werden. Außerdem steht für 2014 eine "globale Minderausgabe" von 5,6 Milliarden Euro auf der Sparliste, ein ungedeckter Scheck. Der wird ausgerechnet im ersten Jahr nach der nächsten regulären Bundestagswahl fällig und wäre, sollte Schwarz-Gelb nicht wiedergewählt werden, eine schwere Hypothek für eine neue Regierung. Gleichwohl verbreiteten Merkel und Vizekanzler Westerwelle gestern, sie hätten "über 80 Milliarden Euro" eingespart. Tatsächlich ist das die zusammengerechnete (kumulierte) Sparsumme der kommenden vier Jahre, inklusive unsicherer Buchungen.Steuern. Steuersenkungen gibt es nicht, aber auch keine Erhöhungen, obwohl Merkel sie vorher nicht ausgeschlossen hatte. Sie hätten den Spardruck gemindert. Doch die FDP, die ursprünglich mit der Idee massiver Steuersenkungen in die Regierung eingetreten war, lehnte jede Anhebung strikt ab; es hätte eine Koalitionskrise gedroht. So allerdings öffnen die Koalitionsbeschlüsse eine Flanke für die Opposition. SPD, Linke, Grüne, Sozialverbände und Gewerkschaften nannten die Kürzungen bereits sozial ungerecht und kündigten massive Proteste an. Selbst der CDU-Wirtschaftsrat bemängelte, dass die soziale Gerechtigkeit zu kurz komme, und forderte eine Anhebung des Spitzensteuersatzes. Die Entscheidung, ob wenigstens die Unterschiede bei den Mehrwertsteuersätzen bereinigt werden, verlagerte die Regierung in eine Kommission.

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