Ausputzer, Austeiler, Angreifer

Saarbrücken. Die Baustelle im Innenhof der Staatskanzlei liegt direkt vor seinem Büro und hat was Symbolhaftes. Denn sie steht für Unerledigtes. Nur zu gerne hätte der legendäre CDU-Problem-Wegräumer seinem Nachfolger im Kulturressort Stephan Toscani ein ebenso gut bestelltes Haus übergeben wie Andreas Storm, der ihm in die Staatskanzlei folgt

 Mag gute Laune und eine ästhetische Umgebung: der scheidende Saar-Kulturminister Karl Rauber (CDU). Den lachenden Buddha hatte er vom Schreibtisch aus immer im Blick. Foto: Dietze

Mag gute Laune und eine ästhetische Umgebung: der scheidende Saar-Kulturminister Karl Rauber (CDU). Den lachenden Buddha hatte er vom Schreibtisch aus immer im Blick. Foto: Dietze

Saarbrücken. Die Baustelle im Innenhof der Staatskanzlei liegt direkt vor seinem Büro und hat was Symbolhaftes. Denn sie steht für Unerledigtes. Nur zu gerne hätte der legendäre CDU-Problem-Wegräumer seinem Nachfolger im Kulturressort Stephan Toscani ein ebenso gut bestelltes Haus übergeben wie Andreas Storm, der ihm in die Staatskanzlei folgt. Doch: "Der Fall Melcher und der Vierte Pavillon stecken noch in einem unbefriedigenden Stadium", so Rauber, "ich hätte das gerne zu Ende geführt und nicht als Last weitergereicht."Loyalität, das ist für Rauber weder Pflicht noch Erfolgsstrategie, sondern Charakter-Baustein. Die Nibelungentreue zu Ex-Ministerpräsident Peter Müller wie auch zu anderen CDU-Führungsfiguren basiert auf jahrzehntelangen Freundschaften, die auch privat und familiär gelebt werden. Mancher witterte "Klüngelei", der Titel "Strippenzieher" tauchte auf. Mit Letzterem kann man Rauber nicht provozieren: Genau dies sei er gewesen. Einer, der im Hintergrund agiert und gestaltet: "Ich war der klassische zweite Mann und immer in der Rolle des Zuarbeiters, schon als Landesgeschäftsführer für Peter Jacoby oder Klaus Töpfer."

Am Reinhard-Klimmt-Syndrom leidet der Mann aus dem Kreis St. Wendel nicht. Niemals habe er eine Nummer-eins-Position angestrebt, sagt er. Warum auch? "Ich war mir meiner Durchsetzungsfähigkeit voll bewusst." Sprich: Es gab seit 1999 kein einziges bedeutendes Thema in den Ministerien, das Rauber nicht mitgemanagt hätte. Peter Müller ließ ihm freie Hand.

Früher als erwartet kam der Abschied. Verabredet war mit Peter Müller, dem Freund aus Junge-Union-Tagen, immer schon ein Doppel-Abgang. "Seit 2009 war klar: Mitte der Legislaturperiode hören wir auf." Aus Unlust, weil die Jamaika-Koalition das "Durchregieren" ausbremste? Rauber führt politikbedingte Verschleißerscheinungen ins Feld, die jede Regierung ereilten.

Rauber selbst wirkt alles andere als amtsmüde, sondern vital und quietschvergnügt. Als "einfachen" Landtagsabgeordneten kann man sich den "Kardinal" kaum vorstellen. Muss man auch nicht. Die Beraterrolle wird ihm bleiben, wieder mal im Verborgenen. Doch anders als die Ex-Minister, die sich in der "Zukunftsinitiative Saar" engagieren, will Rauber "wenige Wochen nach dem Ausscheiden nicht plötzlich viel schlauer sein als in den zwölf Jahren, in denen ich es hätte besser machen können."

So kennt man ihn: als Austeiler, Angreifer. Sein cholerisches Temperament war unter Mitarbeitern gefürchtet, sein "Basta"-Ton brachte ihm die "Kröte" der Landespressekonferenz ein. Nein, Rauber war kein Verbalakrobatiker, kein geschmeidiger Konsenstyp, sondern kantig, unverstellt - deshalb wohl auch medienscheu. 2014 will er sich ganz aus der Politik zurückziehen, auch aus der Marpinger Kommunalpolitik.

Talent zur Selbstdarstellung hat er nicht. Die Liste der Leistungen, die er sich selbst zuschreibt, fällt klein aus: Bau der Hochschul-Galerie am Ludwigsplatz, Umnutzung der Evangelischen Kirche zur Probebühne, ein aufstrebendes Freizeit- und Naherholungsgebiet am Ex-Grubenstandort Reden. Ausgerechnet dieses von der Opposition als Skandal beschriene Millionengrab, das ihm einen Untersuchungsausschuss, Rücktritts-Appelle und den Ruf eines "Mister Intransparenz" einbrachte. Nur wenige Male zuvor war der "verborgene" Rauber ins Schlagzeilen-Licht gerückt. Unter anderem als er den Leiter der Öffentlichkeitsarbeit Ludwin Vogel (CDU) degradierte, als die Kosten der "Saarewü" aus dem Ruder liefen. Ab 2009 kam es dann knüppeldick. Für Rauber, der sich nicht um das Kultur-Ressort gerissen hatte, glich seine kurze Amtszeit einer Fahrt durch ein Minenfeld. Obwohl Rauber die Melcher-Spesen-Affäre in der Stiftung Kulturbesitz wie auch das Debakel um den Vierten Pavillon von seinen Vorgängern nur "geerbt" hatte, flogen ihm die um die Ohren. Sein Ausputzer-Talent versagte im Eigen-Krisenmanagment. Das Ergebnis: eine "desaströse Bilanz", wie es Medien und politische Gegner sehen? Rauber dazu: Es sei nicht die Aufgabe der Opposition, die Regierung zu loben.

Was hat er seiner Meinung nach falsch angepackt? Die Auseinandersetzung um Melcher: "Ich habe zu emotional reagiert." Vieles, was der Landesrechnungshof kritisiert habe, sei berechtigt gewesen. Doch aufgrund einer fest gefahrenen, sehr persönlichen Kampf-Situation zwischen ihm und dem Gremium habe er dies nicht akzeptieren wollen: "Es war ein Prozess", sagt er. Melchers mangelndes Fingerspitzengefühl im Umgang mit Steuergeldern führt Rauber auf fehlende Regelungen für Dienstreisen und Spesen zurück. Warum hat Rauber nicht selbst Leitplanken eingezogen? "Ich wusste ja nicht, dass es sie nicht gibt." Ist sonst nichts offen geblieben? Die Koordination der Kultur zwischen Land und Kommunen habe man nicht hinbekommen, so Rauber. Auch hätte er zu gerne noch die Event-Halle auf eine sichere Realisierungs-Rampe geschoben. Wie verlaufen die letzten Tage? Morgen will Rauber dem Staatskanzlei-Team bei einem von ihm spendierten Mittagessen mit Bibbelschesbohnesupp und Quetschekuche Auf Wiedersehen sagen. Zwei Tage später wird er dann zum letzten Mal im Büro sein, zur Amtsübergabe. Danach folgt eine dreimonatige Auszeit. Lesen, reisen, Opa-Sein. "Sechs Monate lang habe ich mich darauf richtig gefreut, doch in den vergangenen zehn Tagen kam viel Wehmut auf." Seine Entlassungsurkunde hat Rauber übrigens als Noch-Chef der Staatskanzlei selbst unterschreiben müssen, im Rest-Wust von Schreiben angeblich "ein Strich wie jeder andere." Niemals.

"Ich war der klassische zweite Mann und immer in der Rolle des Zuarbeiters."

Karl Rauber

über sich selbst

Zur Person

Karl Rauber stammt aus Güdesweiler (Oberthal). Seine Polit-Karriere startete der gelernte Bankkaufmann 1979 als Referent in der CDU-Landesgeschäftsstelle. Zwischen 1986 und 1999 war er Landesgeschäftsführer. 1994 zog Rauber erstmals in den Landtag ein, dem er seit 2004 wieder angehört. 1999 wurde er Chef der Staatskanzlei und Europabeauftragter, 2004 Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, 2009 kam das Kulturressort dazu.

Rauber ist Mitglied in rund 17 Aufsichts- und Verwaltungsräten und Vorsitzender für die Lebenshilfe St. Wendel e.V. Er lebt in Marpingen, ist verheiratet, hat drei Kinder und zwei Enkel. ce

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