"Ausgeglichene Staatshaushalte schützen"

Herr Wissing, die EU-Justizkommissarin fordert eine Zerschlagung der drei mächtigen Rating-Agenturen. Schließen Sie sich dem Vorstoß an?Wissing: Die Debatte über die Rating-Agenturen muss dringend versachlicht werden. Wir haben die Rating-Agenturen in der Subprime-Krise dafür kritisiert, dass sie zu unkritisch waren, und nun kritisieren wir sie dafür, dass sie zu streng seien

Herr Wissing, die EU-Justizkommissarin fordert eine Zerschlagung der drei mächtigen Rating-Agenturen. Schließen Sie sich dem Vorstoß an?Wissing: Die Debatte über die Rating-Agenturen muss dringend versachlicht werden. Wir haben die Rating-Agenturen in der Subprime-Krise dafür kritisiert, dass sie zu unkritisch waren, und nun kritisieren wir sie dafür, dass sie zu streng seien. Rating-Agenturen sind nicht der Politik, sondern ihren Auftraggebern beziehungsweise Investoren verpflichtet. Stabile Finanzmärkte brauchen unabhängige Bewertungen, das heißt aber nicht, dass diese immer bequem sein müssen. Bevor man deshalb eine Zerschlagung der Rating-Agenturen fordert, sollte man überlegen, inwieweit man deren Kritik konstruktiv aufgreifen und umsetzen kann.

Ist eine solche Zerschlagung überhaupt möglich?

Wissing: Dazu müsste erst einmal feststehen, wie genau diese "Zerschlagung" vorgenommen werden soll. Die Macht der Rating-Agenturen besteht vor allem darin, dass bestimmte Investoren nur in Anlagen investieren dürfen, die über ein bestimmtes Rating verfügen. Diese Regelung wurde geschaffen, um institutionelle Anleger, wie zum Beispiel Pensionsfonds, von hochspekulativen Anlagen fernzuhalten und damit die Altersvorsorge von Beschäftigten sicherzustellen. Mit ihrem Urteil können Rating-Agenturen Milliardeninvestitionen auf den Weg bringen oder blockieren. Die Rating-Agenturen haben damit eine Marktmacht, die ihnen nicht zusteht. Rating-Agenturen selbst sind keine Marktteilnehmer. Sie prüfen und bewerten, sie treffen aber keine Investitionsentscheidungen.

Wie ließe sich die Macht der Agenturen denn begrenzen? Sie bringen schließlich ganze Staatengemeinschaften ins Wanken.

Wissing: Es sind nicht die Rating-Agenturen, welche die Staaten ins Wanken bringen. Ein Staat der sich verschuldet, begibt sich in die Abhängigkeit von Geldgebern beziehungsweise Anlegern. Er muss damit auch akzeptieren, dass die Märkte seine Politik prüfen und auch zu einem kritischen Urteil kommen. Die sicherste Methode, sich vor Spekulation oder negativen Ratings zu schützen, ist ein ausgeglichener Staatshaushalt.

Sollten Rating-Agenturen wenigstens haftbar gemacht werden?

Wissing: Rating-Agenturen sind Teil des Marktgeschehens. Wenn ihre Beurteilungen sich als fehlerhaft oder falsch erweisen, dann werden sie auch nicht nachgefragt. Man kann aber eine Rating-Agentur nur sehr schwer für ein bestimmtes Urteil haftbar machen, da es sich dabei in aller Regel oftmals um in die Zukunft gerichtete Einschätzungen handelt. Schließlich käme wohl kaum jemand auf die Idee, den TÜV haftbar zu machen, wenn bei einem Auto die Bremsen versagen.

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