Aus für Kinderehe-Gesetz in Türkei

Ankara · Viele Türken sind gegen ein von der AKP geplantes Gesetz zum Kindesmissbrauch Sturm gelaufen. Nun geht die Regierung überraschend auf die Opposition zu und nimmt das strittige Thema zurück – vorerst.

Im EU-Parlament haben gestern die Sprecher aller maßgeblichen Fraktionen ein Einfrieren der Beitrittsgespräche mit der Türkei gefordert. Die Regierung in Ankara nehme den gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli zum Vorwand, um unliebsame Bürger zu verfolgen, sagte der Chef der Fraktion der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU ), in Straßburg. Seit dem Staatsstreich seien 36 000 Menschen inhaftiert und zehntausende weitere entlassen worden. Angesichts dieser Zustände müsse die EU nun "klare Worte sprechen" und die Verhandlungen "vorläufig einfrieren". Die EU müsse ein deutliches Signal an den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan senden, verlangte auch der Chef der sozialdemokratischen Fraktion, Gianni Pittella. "Wir müssen Erdogan sagen: Bleib' nicht auf diesem Kurs der Unterdrückung." Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini warnte vor einem Ende des Beitrittsprozesses. Dabei würden alle verlieren. Die EU würde so auf die Möglichkeit verzichten, Einfluss auf Reformen in der Türkei auszuüben.

Meinung:

Die Mädchen zahlen die Zeche

Von Susanne Güsten

Einen Konsens im Kampf gegen Kinderehen zu finden, ist an sich schon schwierig genug. In der Türkei, wo die Regierung stets vermeintliche Kritiker festnimmt und Organisationen verbieten, ist es so gut wie unmöglich. Am selben Tag, an dem Ankara den umstrittenen Kinderehen-Gesetzentwurf zurückzog, wurden weitere 375 Verbände verboten. Viele der seit dem Putschversuch vom Juli aufgelösten Gruppen kümmerten sich um Kinder- oder Frauenrechte. Wenn die Regierung jetzt sagt, sie strebe eine Lösung im Dialog mit Verbänden an, ist das Heuchelei. Das von ihr geschaffene Klima der Repression eignet sich nicht zur Konsensfindung. Die Zeche zahlen tausende Mädchen, die von ihren Familien früh verheiratet werden, statt selbstbestimmt zu leben.

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