Aus der Verteidigung in die Offensive

Verteidigungsminister Thomas de Maizière entschuldigt sich im Untersuchungsausschuss für ein paar Missverständnisse und findet sein Handeln ansonsten völlig richtig. Das Vorhaben sei rechtzeitig eingestellt worden.

Berlin. Der Schluss- und Höhepunkt der Arbeit des Bundestags-Untersuchungsausschusses zum gescheiterten Drohnen-Projekt "Euro-Hawk" gerät zum Geplänkel. Wortklauberei und Streit um Zitate, sogar um die Farbe des Ministerstiftes (siehe Infokasten), prägen die mit Spannung erwartete Vernehmung von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). "Es geht hier auch um die Deutungshoheit", sagt ein Koalitionsabgeordneter in der öffentlichen Sitzung.

De Maizière selbst wirkt völlig ruhig. Er hat einen dicken Aktenordner mitgebracht und einen 36-seitigen Vortrag, den er zu Beginn vorliest. Die Pressetribüne ist überfüllt. Nur einmal, als ihn der SPD-Abgeordnete Rainer Arnold der "Lüge" zeiht, weist er das als "Unterstellung" zurück. Der Verteidigungsminister steht unter Eid, fünf Jahre Strafe drohen bei einer Falschaussage. Aber er bleibt Punkt für Punkt bei dem, was er schon Anfang Juni gesagt hat, als er endlich Stellung nahm. Dass er erst am 13. Mai dieses Jahres erfahren habe, dass der Euro Hawk wegen der fehlenden Luftverkehrszulassung gescheitert sei. Die Darstellung deckt sich exakt mit dem, was vor allem sein engster Mitarbeiter, Staatssekretär Stéphane Beemelmans, am Tag zuvor im Ausschuss vorgetragen hat.

Zwischen die Aussagen beider passt kein Blatt Papier. Die Verteidungsfront im Verteidigungsministerium steht. Auffällig ist, dass de Maizière seine Staatssekretäre nicht wie noch Anfang Juni wegen der späten Unterrichtung kritisiert. Im Gegenteil: Die Entscheidung zur Einstellung des Vorhabens sei richtig und rechtzeitig gewesen und habe nicht Schaden erzeugt, "sondern im Gegenteil zusätzlichen Schaden verhindert", sagt er. Und Staatssekretär Beemelmans habe "überragende Verdienste". Schuld an dem Debakel sind laut de Maizière allenfalls seine Vorgänger: "Das Problem der fehlenden Zulassung wurde zu Beginn unterschätzt und dann unzureichend beachtet." Er selbst, so räumt er ein, "hätte vielleicht ein, zwei Mal früher nachfragen sollen".

Der Auftritt ist eine Mischung aus großer, manchmal fast arroganter Selbstgewissheit - mit einem Schuss Pardon an den richtigen Stellen. An einem Punkt aber ist der Minister verwundbar. Es sind in der Presse Dokumente aufgetaucht, wonach er doch vor dem 13. Mai um die Dimension der Probleme wusste. Und trotzdem nicht handelte. Er selbst hatte nur von einer "erstmaligen" Unterrichtung im März 2012 gesprochen, aber die Dokumente liegen zeitlich dazwischen. Darauf bezieht sich Arnolds Lügen-Vorwurf. De Maizière geht in die Vorwärtsverteidigung. Er legt zu Beginn eine Liste von Terminen vor, bei denen der Euro Hawk eine Rolle spielte.

Stundenlange Debatten

Die Liste geht sogar über das hinaus, was bisher in den Medien enthüllt wurde. Er sagt, dass es sich meist um Unterlagen zur Vorbereitung auf allgemeine Gespräche gehandelt habe, und dass die Probleme mit dem Euro Hawk darin immer als lösbar dargestellt worden seien. Er bedauere, wenn er sich im Juni nicht klarer ausgedrückt habe. "Den Eindruck, ich hätte nie etwas gewusst, wollte ich ganz sicher nicht hervorrufen." Seine Leute verteilen das Papier auf der Pressetribüne.

Das ist der Punkt, an dem die Oppositionsabgeordneten Dokument für Dokument nachhaken. Stundenlang geht es nun darum, welchen Stellenwert für den Minister welche Art von Unterrichtung hat, was eine Informationsunterlage ist und was ein Entscheidungsvermerk. Deutlich wird: Der Minister ist pedantisch und erwartet korrekte, abgezeichnete Vermerke, wenn es größere Probleme gibt. "Nicht irgendeine Information irgendwo in einer Beilage." Der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripur wird sarkastisch. "Wenn da in der falschen Vorlage steht, der Russe kommt, nehmen Sie das wohl auch nicht wahr, oder?" De Maizière blickt ihn regungslos an und antwortet: "Das ist abwegig."

Plötzlich gerät eine Informationsmappe in den Mittelpunkt, die der Minister Anfang Dezember 2012 von seinen Beamten zur Vorbereitung eines Firmenbesuches beim Euro-Hawk-Hersteller bekam. 60 Seiten zu vielen Rüstungsthemen, von denen der Minister sagt, dass er nicht mehr weiß, ob er sie alle gelesen hat. In dem Papier werden auch die Probleme mit dem Euro Hawk detailliert geschildert. Eine Zeitung hat am Morgen enthüllt, ihr liege ein Exemplar vor, in denen es Markierungen mit einem grünen Stift gibt. Grün ist in den Ministerien allein den Chefs vorbehalten. De Maizière aber bestreitet, dass die Notizen von ihm sind: "Ich benutze solche Marker nicht." Das Original-Ministerdokument - es gibt davon nur eins - wird aus der Dokumentenstelle des Ausschusses herbeigeschafft. Das dauert eine Stunde. Die Abgeordneten beugen sich gespannt darüber. Und sie sehen: Nichts Grünes auf dem Papier.

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Am RandeWill ein Minister auf einer Akte oder einem Vermerk etwas markieren oder einen Gedanken festhalten, darf er nicht zu einem beliebigen Kugelschreiber greifen. Damit nachvollzogen werden kann, wer welche Anmerkungen hinterlassen hat, ist die Farbe der Stifte genau geregelt. Die "Anlage 2 zu Paragraph 13 Absatz 2" der "Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien GGO" legt fest: Der Grünstift ist dem Minister vorbehalten. Streng hierarchisch ist außerdem vorgeschrieben: Parlamentarische Staatssekretäre zeichnen violett, beamtete Staatssekretäre rot, die Abteilungsleitung blau und die Unterabteilungsleitung braun. dpa

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