Aufregung um Drohanrufe bei Koalitionsgegnern

Berlin · Harmlose Satire oder krimineller Akt? Ausgerechnet zum Auftakt des SPD-Mitgliederentscheids sorgen Drohanrufe bei erklärten Gegnern der großen Koalition für Aufregung. Der Partei-Vorstand stellte gestern Strafanzeige.

Es gibt nicht viele SPD-Funktionäre, die ihre Ablehnung gegen eine große Koalition in die Öffentlichkeit tragen. Einer von ihnen ist Fabian Verch. Der 25-Jährige ist Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Bruchsal/Büchenau in Baden-Württemberg. Am 28. November wurde er in die ZDF-Sendung von Maybrit Illner eingeladen. "Für mich wächst da irgendetwas zusammen, was einfach nicht zusammengehört", sagte er. Die Partei mache sich "völlig unglaubwürdig", wenn sie mit CDU/CSU zusammengehe.

Ein paar Tage später bekam Verch einen seltsamen Anruf von einem Mann, der sich als Mitarbeiter von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ausgab. Auf Verchs Display erschien die Nummer des Bürgerservices der SPD. Der Anrufer forderte ihn auf, seine Meinung zu ändern, und drohte mit Konsequenzen für seine Parteikarriere. Verch ließ das erstmal einen Tag sacken und beschwerte sich dann per E-Mail bei seiner Generalsekretärin. Die war genauso überrascht wie er und schrieb ihm zurück: "Lieber Fabian, ich kann Deine Empörung voll und ganz verstehen und bin selber entsetzt. Sei versichert: Bei diesem Anruf handelt es sich nach meiner Ansicht um einen kriminellen Akt und keinesfalls um eine offizielle Aktion des SPD-Parteivorstandes."

Der SPD-Vorstand stellte gestern Strafanzeige gegen Unbekannt. Wer hinter der Aktion steckt, blieb zunächst unklar. Ein ins Internet gestelltes Bekennerschreiben deutet auf eine Satire-Aktion hin. Ein "Kommando Gerhard Schröder der Hedonistischen Internationale" behauptet darin, am Dienstag bei mehr als 100 SPD-Mitgliedern und Funktionären angerufen zu haben, die als Gegner der großen Koalition bekannt sind. Die "Hedonistische Internationale" fiel bisher unter anderem durch ein Torten-Attentat auf den früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auf. Über das Bekennerschreiben heißt es auf der Internetseite, es handele sich um "eine anonyme Einsendung einer bislang unbekannten Sektion". Es blieb offen, ob die Verfasser tatsächlich etwas mit den Drohanrufen zu tun haben.

Ob Satire oder gezieltes Störmanöver gegen den Mitgliederentscheid - für die SPD-Führung kommt die Aufregung um die Drohanrufe zur Unzeit. Der Mitgliederentscheid ist gerade angelaufen, die ersten Stimmen liegen bereits vor. Die letzten der 474 840 Sozialdemokraten erhalten heute ihre Unterlagen. Dann bleiben noch sieben Tage Bedenkzeit, um zu entscheiden. Was die Resonanz an der Basis angeht, ist bisher eigentlich alles gut gelaufen. Bei den Regionalkonferenzen gab es überwiegend Zustimmung. Parteichef Sigmar Gabriel sprach von 80 zu 20 Prozent für die große Koalition.

Die Stimmen sollen am 14. Dezember ausgezählt werden. Dann wird es nicht nur um ein Ja oder Nein zur großen Koalition gehen. Bei einem Ja entscheidet das Ausmaß der Zustimmung auch darüber, wie selbstbewusst die SPD in das Bündnis mit der Union gehen kann. Ein knappes Ergebnis dürfte der Stabilität der Koalition nicht zuträglich sein. Ein Nein würde die SPD sogar in ihren Grundfesten erschüttern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort