Interrail-Tickets Auf PR-Tour durch Europa

Brüssel · Die EU hat ein Image-Problem. Das will sie jetzt mit tausenden Interrail-Tickets für Jugendliche lösen. Eine 700-Millionen-Euro-Kampagne.

 Alltag eines Interrail-Touristen: Alles, was zum Leben notwendig ist, steckt in einem Rucksack.

Alltag eines Interrail-Touristen: Alles, was zum Leben notwendig ist, steckt in einem Rucksack.

Foto: dpa/Patrick Seeger

Es kann losgehen. 18 Jahre alt, der Sommer steht an und eine günstige Reisemöglichkeit bietet die EU: Ab heute gibt es für 15 000 junge Europäer ein Interrail-Ticket für Fahrten durch die Union.

Selten hat sich eine Idee aus Brüssel so rasch wie ein Lauffeuer verbreitet. Im Oktober 2016 hatte der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, in seiner Rede „Zur Lage der EU“ von der Gemeinschaft „am Scheideweg“ gesprochen. Nur die Mitgliedstaaten selbst könnten die „europäischen Werte verteidigen“. Der nächste Redner brachte dann eine Idee ins Rollen, um Europa-Begeisterung zu wecken: Manfred Weber, Vorsitzender der christdemokratischen EVP-Fraktion. Er schlug vor, die EU solle allen 18-Jährigen ein Interrail-Ticket schenken, damit sie reisen und die Union kennenlernen können. Der Plan war gefasst.

Heute startet das Projekt unter dem Namen DiscoverEU (Entdecke die EU). Bei einem Preis von durchschnittlich 255 Euro pro Interrail-Pass werden zunächst 15 000 dieser begehrten Tickets an EU-Staatsangehörige verlost, die zwischen dem 2. Juli 1999 und dem 1. Juli 2000 geboren wurden. Zwei Wochen lang bleibt die Bewerbungsseite (https://europa.eu/youth/discovereu_de) geöffnet, dann wird entschieden.

Neben den Daten zur eigenen Person müssen die jungen Menschen die vier Länder nennen, die sie gerne innerhalb von 30 Tagen bereisen wollen und außerdem noch Quizfragen zum Europäischen Kulturerbe-Jahr 2018, zu den EU-Jugendini­tiativen und den bevorstehenden Europawahlen 2019 beantworten. Als Stichfrage muss man außerdem beantworten, wie viele Bewerbungen es geben wird – damit wird die Auswahl getroffen, falls es mehr Bewerbungen mit richtigen Antworten als Travel-Pässe gibt.

Zudem können junge Europäer alleine oder in Gruppen mit fünf Personen reisen. Für Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit werden auch eine Begleitperson oder sogar ein Blinden-Hund bezahlt. Die Reise muss zwischen dem 9. Juli und dem 30. September 2018 stattfinden und darf bis zu 30 Tage dauern. Und: Das Ticket gilt zunächst nur für die Bahn und eventuell Fähren. Später, so überlegt die EU-Kommission, könnten vielleicht auch noch Billigflieger dazukommen.

Da die Gemeinschaft zwölf Millionen Euro für dieses Jahr zur Verfügung gestellt hat, ist eine zweite Losrunde mit weiteren 5000 Tickets für den Herbst geplant – ehe das Programm ab 2021 richtig groß aufgelegt wird: Rund 700 Millionen Euro stehen dann bis 2027 zur Verfügung. Das soll für gut 1,5 Millionen Interrail-Tickets reichen.

„Eine hervorragende Gelegenheit für junge Menschen, Europa auf eine Weise kennenzulernen, wie es kein Buch und keine Dokumentation zu vermitteln vermögen“, nannte der für Bildung und Kultur zuständige EU-Kommissar Tibor Navracsics das Projekt. Von dem erhofft sich der ungarische Politiker eine Art „Schneeball-System“. Denn die Heranwachsenden sollen nach ihrer Rückkehr berichten – von Erlebnissen, neuen Freundschaften und eindrucksvollen Begegnungen. Gedacht ist dabei an Fotos auf Instagram oder auch Referaten in den Schulen. „Wir wollen, dass diese Erfahrung nicht nur das Leben der jungen Menschen bereichert, sondern auch die Gemeinschaften, die sie besuchen“, sagte der Kommissar gestern in Brüssel.

Wer weiß: Vielleicht schaffen es ja die Jugendlichen, so das Imageproblem der EU zu lösen.

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