Auf der Suche nach gemäßigten Taliban

Masar-i-Scharif. Wohl niemand erwartet, dass der Aufruf von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung Gehör findet. Beinahe hilflos wirkte es, als er gestern im nordafghanischen Feisabad an die Taliban appellierte, "der Gewalt abzuschwören und sich für eine friedliche Entwicklung einzusetzen"

 Etwas erschöpft sitzen Verteidigungsminister Franz Josef Jung und der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (beide CDU) in einer Transall auf dem Weg nach Masar-i-Scharif. Foto: dpa

Etwas erschöpft sitzen Verteidigungsminister Franz Josef Jung und der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (beide CDU) in einer Transall auf dem Weg nach Masar-i-Scharif. Foto: dpa

Masar-i-Scharif. Wohl niemand erwartet, dass der Aufruf von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung Gehör findet. Beinahe hilflos wirkte es, als er gestern im nordafghanischen Feisabad an die Taliban appellierte, "der Gewalt abzuschwören und sich für eine friedliche Entwicklung einzusetzen". Statistiken deuten nicht auf einen Friedenswillen bei den Taliban hin: Verglichen mit 2007 haben gewalttätige Vorfälle im vergangenen Jahr nach Militärangaben um ein Drittel zugenommen, die Zahl der Sprengfallen stieg um mehr als ein Viertel.

Angesichts der verfahrenen Lage ist nun ein weiteres Mal in der deutschen Politik die bislang fruchtlose Diskussion entbrannt, ob man Afghanistan nicht durch Verhandlungen mit "gemäßigten" Taliban retten kann.

Bereits vor knapp zwei Jahren brachte der damalige SPD-Chef Kurt Beck als erster deutscher Politiker den Vorschlag ins Gespräch, mit moderaten Taliban zu reden. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident handelte sich mit dem Vorstoß harsche Kritik nicht nur von der Union, sondern auch von der afghanischen Regierung ein.

Außenminister Rangin Dadfar Spanta sagte, es gebe keine gemäßigten und nicht gemäßigten Aufständischen und konterte mit dem Vorschlag, Beck könne ja in Rheinland-Pfalz eine Koalition mit einer "moderaten NPD" eingehen. Doch Beck war seiner Zeit schlicht voraus.

Auch Unionspolitiker wie Jung sprechen sich nun für Verhandlungen mit Aufständischen aus, falls diese der Gewalt abschwören. Die afghanische Regierung begann bereits wenige Monate nach Becks Vorstoß, offen an die Taliban zu appellieren, "auf der Basis der Verfassung" Gespräche zu führen. Doch genau in dieser Formulierung liegt das Problem. Zwar mag es möglich sein, Fundamentalisten zur Abkehr von den Taliban zu bewegen. Ob damit eine Spaltung der Aufständischen gelingt, erscheint aber fraglich. Die meisten Taliban, die heute kämpfen, eint ihr Hass auf die ausländischen Truppen, die vom Westen gestützte afghanische Regierung - und auf die Verfassung.

Die immer verzweifelteren Appelle von Präsident Hamid Karsai stoßen daher regelmäßig auf taube Ohren. Zwar gibt es unterschiedliche Gruppierungen der Aufständischen, die nicht alle unter dem Befehl von Taliban-Chef Mullah Omar kämpfen. Erste geheime Gespräche soll die afghanische Regierung, so hieß es in diplomatischen Kreisen in Kabul, bereits 2006 aufgenommen haben. Ein Ergebnis aber gibt es bis heute nicht. Die Sicherheitslage hat sich seitdem weiter verschlechtert.

Müller für mehr Polizei

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) hält es daher für denkbar, auch saarländische Polizisten nach Afghanistan zu schicken. Das Land habe auch für den Einsatz im Kosovo Beamte zur Verfügung gestellt, sagte Müller, der in seiner Eigenschaft als Bundesratspräsident Verteidigungsminister Jung auf der Afghanistan-Reise begleitet. Anfragen müssten aber im Einzelfall geprüft werden. Der Auftrag der Bundeswehr in Afghanistan werde auch von den Ländern unterstützt, ebenso wie der Aufbau einer Polizei, sagte Müller weiter. Insbesondere die Ausbildung der Polizei sei originäre Länderaufgabe, "ich will dokumentieren, dass das von den Ländern mitgetragen wird".

Bis Mittwoch will Müller neben Soldaten der Saarlandbrigade in Masar-i-Scharif auch ein Wiederaufbauteam in Kundus besuchen.

Derzeit sind rund 3800 deutsche Soldaten im Einsatz für die internationale Afghanistan-Schutztruppe Isaf, darunter auch rund 40 Angehörige der Saarlandbrigade. Deutschland ist nach den USA und Großbritannien drittgrößter Truppensteller. In Masar-i-Scharif, dem größten Bundeswehrstandort außerhalb Deutschlands, sind rund 2000 Soldaten stationiert.

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