Auf der Suche nach der perfekten Knolle

Ludwigshafen. Auch die Genforscher, die sich nur mit Pflanzen beschäftigen, haben ihre "Laborratte". Es ist der "Ackerschmalwand" (Arabidopsis), ein unscheinbares Kohlgewächs, das mit Raps, Kresse, Blumenkohl, Broccoli und Chinakohl verwandt ist. "Von seiner genetischen Zusammensetzung wissen wir inzwischen alles", erzählt Karin Herbers

 BASF-Forscher versuchen die Eigenschaften von Ackerschmalwand auf andere Pflanzen zu übertragen. Foto: BASF

BASF-Forscher versuchen die Eigenschaften von Ackerschmalwand auf andere Pflanzen zu übertragen. Foto: BASF

Ludwigshafen. Auch die Genforscher, die sich nur mit Pflanzen beschäftigen, haben ihre "Laborratte". Es ist der "Ackerschmalwand" (Arabidopsis), ein unscheinbares Kohlgewächs, das mit Raps, Kresse, Blumenkohl, Broccoli und Chinakohl verwandt ist. "Von seiner genetischen Zusammensetzung wissen wir inzwischen alles", erzählt Karin Herbers. Sie ist Direktorin im Forschungsbereich Pflanzenbiotechnologie (Plant Science) des Chemieriesen BASF in Ludwigshafen. Kein Wunder: Das Arabidopsis-Genom ist winzig im Vergleich zu den Genomen (Gesamtheit der der Erbinformationen in einer Zelle) anderer Nutzpflanzen wie Mais, Weizen oder Gerste. Es besteht nur aus fünf Chromosomen (Träger der Erbinformation im Zellkern) mit zusammen rund 25000 Genen (Träger der Erbinformation). Außerdem ist der "Ackerschmalwand" anspruchslos und braucht vom Samen bis zur reifen Pflanze nur sechs Wochen.

So musste Arabidopsis für ein Forschungsprojekt herhalten, von dem sich die BASF viel verspricht - nämlich Mais, Soja, Raps oder Baumwolle stärker gegen Trockenheit zu schützen. Dem Kohlgewächs wurde das "Überlebens"-Gen einer Moos-Sorte eingepflanzt, die es gewohnt ist, sich in regenarmen Regionen zu behaupten. Beim "Ackerschmalwand" hat es geklappt. Die Pflanzen, die mit dem Moos-Gen präpariert waren, überstanden eine zweiwöchige Trockenperiode, die anderen verdorrten. "Jetzt muss das Kunststück gelingen, die Gene, die für das Überleben in Trockenphasen zuständig sind, auch auf Nutzpflanzen zu übertragen", erzählt Karin Herbers. Auch mit konventionellen Züchtungen kennt man sich bei der BASF aus. Dass die nicht immer den gewünschten Effekt bringen, weiß man bei der BASF aus eigener Erfahrung - und zwar bei dem Pilz mit Namen "Phytophthora infestans". Dieser Pilz ist für die berüchtigtste aller Kartoffelkrankheiten, die Kraut- und Knollenfäule, verantwortlich. Zurzeit wird er ausschließlich mit Pestiziden bekämpft. Seit etwa 50 Jahren weiß man bereits, dass es in Südamerika Wildkartoffel-Arten gibt, denen dieser Schädling nichts anhaben kann. Zunächst versuchte man es mit Züchtung und Kreuzung. Der Effekt war, dass zwar Nutzkartoffel-Sorten das Licht der Welt erblickten, bei denen Phytophthora infestans machtlos war. Allerdings war deren Ernte-Ertrag auch um ein Drittel geringer als der normaler Kartoffeln. Mit Hilfe der Gentechnologie sind die BASF-Forscher jetzt dabei, eine Knolle zu entwickeln, die mehrere Gene der Wildkartoffel besitzt, so dass sie auch auf Variationen von Phytophthora infestans reagieren kann.

Mit einer anderen Knolle könnten die Ludwigshafener sofort auf den Markt treten - wenn sie nicht in den Mühlen der EU-Genehmigungsbürokratie feststecken würden. Es handelt sich um die Kartoffel "Amflora". "A starch ist born" (Eine Stärke ist geboren), heißt der Werbespruch, dessen Wortspiel nur auf Englisch wirkt ("A star is born"). Seit zwölf Jahren schlägt sich der Konzern mit den EU-Bürokraten und der Kommission herum, obwohl die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit in zwei Dossiers bescheinigt hat, dass Amflora "genauso sicher ist für Mensch, Tier und Umwelt wie jede herkömmliche Kartoffel".

Dabei geht es nach Angaben von Johansson nicht um eine Speisekartoffel, sondern um eine Knolle, die als nachwachsender Rohstoff eingestuft werden soll - auch wenn ein zweiter Antrag für den Futter- und Lebensmittel-Bereich gestellt wurde. Amflora besteht größtenteils aus dem Stärke-Korn Amylopectin. Mit Hilfe der Gen-Technologie wurde das zweite Stärke-Korn, die Amylose, aus der Kartoffel entfernt. Denn für viele technische Anwendungen ist nur das Amylopectin interessant, da es flüssig ist, während Amylose Klumpen bildet. Die Amflora-Kartoffel, die ausschließlich Amylopectin enthält, "wird damit zu einem nachwachsenden Rohstoff", heißt es bei BASF Plant Science. Diese reine Amylopectin-Stärke trage beispielsweise dazu bei, dass Druckpapier glänzt und die Farbe besser annimmt. Außerdem werden Garne (für Hemden, Hosen oder T-Shirts), die mit Amflora behandelt werde, reißfester. Durch die zähe EU-Genehmigungs-Prozedur entstehe ein jährlicher Schaden von bis zu 130 Millionen Euro.

Ein anderer Schaden, der Ende Juni entstand, ist kaum zu beziffern. Weitläufig ist das konzerneigene Gelände des Limburgerhofs zwischen Speyer und Ludwigshafen - und kaum zu bewachen. Auf den akkurat abgesteckten Feldern und in den Gewächshäusern erforschen die BASF-Wissenschaftler seit Generationen neue Produkte und Verfahren - wenn es um Dünger oder Pflanzenschutz geht. Seit zehn Jahren sind auch die Gen-Forscher dort zu Hause. In einer Nacht- und Nebelaktion schnitten unbekannte Täter Löcher in den Zaun und zerstörten die Felder, auf denen die Kartoffeln wuchsen, die gegen Kraut- und Knollenfäule resistent sein sollen, aber auch Knollen, die das Stärke-Korn Amylopectin liefern.

Der Freiland-Versuch war vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit genehmigt, und BASF Plant Science hat Anzeige erstattet. Doch was nützt es.

Nun setzt man die Versuche in Gewächshäusern fort. Die Freiland-Situation wird simuliert, indem man die Dachluken und Seitenscheiben weit aufreißt und die Pflanzen in den Ackerboden steckt. Die Einzigen, die der grünen Vielfalt jetzt noch gefährlich werden können, sind Kaninchen, die es auf dem Limburgerhof zuhauf gibt.

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