Auf der Jagd nach James Bond 2.0

Berlin · Bekommen die Aufklärungsbemühungen zum NSA-Skandal neuen Schub? Nun ermittelt der Generalbundesanwalt – zumindest wegen des abgehörten Telefons der Kanzlerin. Vielleicht weitet er die Ermittlungen noch aus.

Es wird eine denkwürdige Sitzung des Rechtausschusses. Die Abgeordneten zoffen sich in nicht öffentlicher Sitzung wie die Kesselflicker - "die Stimmung ist mies", verrät eine Parlamentarierin. Vor allem die Grünen sind in das Visier der großen Koalition geraten, namentlich Hans-Christian Ströbele. Generalbundesanwalt Harald Range sitzt in einer hinteren Reihe und beobachtet das Spektakel. Um ihn geht es.

Ströbele hatte vergangene Woche den Generalbundesanwalt attackiert, nachdem es zunächst geheißen hatte, Range werde keine Ermittlungen in der NSA-Affäre aufnehmen. Man habe einen "Skandal des Rechtsstaates erlebt", fährt der Unionsabgeordnete und Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg, nun ganz große Geschütze gegen die Opposition auf. So dürfe man nicht mit einer unabhängigen Instanz umgehen.

"Das kann man nicht machen", schimpft auch eine SPD-Abgeordnete, "auf der einen Seite die Unabhängigkeit der Justiz fordern und dann so einen Druck ausüben." Nun entstehe der Eindruck, der Generalbundesanwalt beuge sich dem politischen Trommelfeuer.

Da ist womöglich was dran. Denn Range verkündet im Ausschuss, Ermittlungen aufzunehmen zu wollen, und zwar "gegen Unbekannt" wegen des Abhörens des Handys von Kanzlerin Angela Merkel. "Geheimnisverrat" lautet der Vorwurf. Helfen soll ihm bei der Aufklärung eine neue Abteilung, das "Referat Cyberspionage". Wegen des massenhaften Ausspähens der Kommunikationsdaten von Millionen anderer Bürger will er nicht ermitteln. Dies werde aber weiter geprüft. Ursprünglich wollte der Generalbundesanwalt seine Entscheidung erst am Nachmittag offiziell an seinem Dienstsitz in Karlsruhe verkünden. Doch das lassen sich die Abgeordneten nicht bieten. Es beginnt ein Machtspielchen. Ranges Auftritt wird flugs auf Tagesordnungspunkt 20 geschoben. Die Zeit vergeht, er verpasst zwei Flugzeuge. Nach knapp vier Stunden Sitzung wirkt der Generalbundesanwalt beim Verlassen des Ausschuss-Saals wie ein Getriebener. "Ich wurde fair behandelt", sagt er dennoch.

Hat Range also dem politischen Druck der letzten Tage doch nachgegeben? Der Jurist lässt dem Vernehmen nach die Frage im Ausschuss unbeantwortet. Ebenfalls äußert er sich nicht dazu, ob es Gespräche mit dem Bundesjustizministerium gegeben hat, einen Wink, gar eine versteckte Weisung. Justizminister Heiko Maas (SPD) will davon nichts wissen. Allerdings ist man auch in den Reihen der Koalition "irritiert" ob der Vorgehensweise des Generalbundesanwalts. Führt sie doch zu Folgediskussionen: Sind die Daten der Bürger unwichtiger als Merkels Handy? Zu seinen Beweggründen sagt Range nach Angaben von Ausschussmitgliedern nichts. Ströbele hält ihm vor: "Das kann ich nicht verstehen." Range gibt den Abgeordneten lieber etwas anderes mit auf den Weg: Ihm reichen die bestehenden Gesetze zur Ahndung von Spionage offenbar nicht mehr aus. Der Generalbundesanwalt betont, dass die Regelungen noch aus dem Kalten Krieg stammen würden. Jetzt müsse man schließlich ganz anders ermitteln - und zwar gegen "James Bond 2.0".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort