Auf dem Weg zur Ankündigungsministerin

Berlin. Mancher rieb sich die Augen, als Ursula von der Leyen wegen des Streiks am Frankfurter Flughaften am Mittwoch zum Handeln aufrief. Die Politik müsse Regeln aufstellen, damit Mini-Gewerkschaften nicht ganze Volkswirtschaften beeinträchtigten, meine die CDU-Politikerin forsch

Berlin. Mancher rieb sich die Augen, als Ursula von der Leyen wegen des Streiks am Frankfurter Flughaften am Mittwoch zum Handeln aufrief. Die Politik müsse Regeln aufstellen, damit Mini-Gewerkschaften nicht ganze Volkswirtschaften beeinträchtigten, meine die CDU-Politikerin forsch. Eingeweihte wussten: Als zuständige Arbeitsministerin hätte von der Leyen längst für ein solches Gesetz sorgen können. Seit 2010 gibt es nämlich eine Initiative zur Herstellung der Tarifeinheit, die ursprünglich von Arbeitgebern und Gewerkschaften gemeinsam vorgeschlagen worden war. Die SPD bot Unterstützung an. Doch die FDP wollte nicht mitmachen. Und von der Leyen - schwieg.So ist es häufiger. Die 53-Jährige ist zwar stets fröhlich und dynamisch, aber selten erfolgreich. "Ihr geht es um die dicken Überschriften. Was dann daraus in der Wirklichkeit wird, kümmert sie weniger", kritisiert Manuela Schwesig, als SPD-Vize zuständig für das Soziale und damit wichtigste Gegenspielerin der Ministerin. Ihr Parteikollege Hubertus Heil drückt es ähnlich aus: "Ihr ist die Verpackung wichtiger als der Inhalt."

Das ist nicht nur Oppositionskritik. Auch bei den Gewerkschaften, die der Neuen im Amt anfangs sehr zugetan waren, herrscht nach zwei Jahren Ernüchterung. Allerdings will man sich dort öffentlich nicht äußern. Von der Leyen hat durchaus viele mutige Pläne, die sie auch mit großem Tamtam ankündigt. Doch dann kommen die eigenen Leute, der Koalitionspartner oder der Bundesrat und durchkreuzen alles. "Dann", so Heil, "hüpft sie auf das nächste Thema." Von der Leyen erarbeitet sich gerade den Ruf einer Ankündigungsministerin.

Beispiel Mindestlohn: Als der CDU-Parteitag im November eine allgemeine Lohnuntergrenze beschloss, kündigte die Ministerin an, dies nun "zügig" umzusetzen. Ergebnis: Es gibt bis heute keinen Gesetzentwurf. FDP und CDU-Wirtschaftsflügel leisten Widerstand. Im Moment liegt das Thema in einer Arbeitsgruppe der Unions-Fraktion.

Beispiel Zuschussrente: Es war ein ganz großer Plan, den die Ministerin im September ankündigte. Eine staatlich finanzierte Zuschussrente für Geringverdiener. Das Ende der Altersarmut. Doch war ihre Regelung sehr kompliziert, es hagelte Kritik. Außerdem hatte sie die Rechnung ohne den Finanzminister gemacht. Der Plan droht zu scheitern.

Beispiel Frauen in Führungspositionen: Von der Leyen profiliert sich seit Monaten mit der Forderung, den Frauen per Gesetz 30 Prozent der Vorstandsposten in Unternehmen zu reservieren. Nur ist sie dafür gar nicht zuständig, sondern Frauenministerin Kristina Schröder, die solchen Zwang ablehnt.

Beispiel Bildungspaket: Mit einer Bildungs-Chipkarte und einem Kooperationsmodell zwischen Schulen, Gemeinden und Arbeitsagenturen wollte von der Leyen Kindern aus sozial schwachen Haushalten helfen. Doch sie übersah, dass sie dafür die Zustimmung der Länder brauchte. Der Kompromiss nach langwierigen Verhandlungen ist ein kompliziertes Bildungspaket, das schlecht angenommen wird. Ohne Chip-Karte. Für Brigitte Pothmer, sozialpolitische Sprecherin der Grünen, ist von der Leyen gerade wegen dieses Vorgangs "eine Murks-Ministerin, die aus dem, was sie ankündigt, im Ergebnis bürokratische Monster macht, die nicht praxistauglich sind."

Als Familienministerin hat Ursula von der Leyen mit dem Elterngeld und dem Ausbau der Kinderkrippen zwei Jahrhundertreformen geschafft. Im Arbeitsministerium sind ähnlich große Erfolge bisher ausgeblieben. Neuerdings versucht sich die Politikerin daher im Interpretieren von Zahlen. "Das ist ein gutes Zeichen", jubelte sie, als im Januar bekannt wurde, dass die Kinderarmut in den letzten Jahren um rund 13,5 Prozent zurückgegangen sei. Allerdings ging ein Großteil der Entwicklung auf sinkende Geburtenzahlen zurück. Und dass die Arbeitslosigkeit im Februar zum ersten Mal wieder leicht anstieg, lag laut von der Leyen am "sibirischen Winterwetter". Immer das Wetter.

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