Auf dem rechten Auge blind? Bizarres Bekenner-Video verhöhnt Opfer

Berlin. Für die Verfassungsschützer wird es immer enger. Auch gestern konnte niemand den Vorwurf entkräften, zumindest Thüringer Geheimdienstler hätten die mörderische Neonazi-Gruppe aus Jena über viele Jahre als Informanten beschäftigt

Berlin. Für die Verfassungsschützer wird es immer enger. Auch gestern konnte niemand den Vorwurf entkräften, zumindest Thüringer Geheimdienstler hätten die mörderische Neonazi-Gruppe aus Jena über viele Jahre als Informanten beschäftigt. Sollte dies der Grund dafür gewesen sein, warum die Rechtsextremisten ein Jahrzehnt lang unbehelligt blieben? Die Ermittlungen zu den sogenannten Döner-Morden und dem Mord an einer Polizistin setzen vor allem den Thüringer Verfassungsschutz zunehmend unter Druck. Bevor Beate Z. und ihre beiden Komplizen Uwe M. und Uwe B. 1998 abtauchten, hatten sie im Visier der Sicherheitsbehörden gestanden. Selbst nachdem sich ihre Spur offiziell verlor, soll die inzwischen inhaftierte Frau Medienberichten zufolge Kontakt zu V-Leuten gehabt haben.Bereits 1997 soll das Neonazi-Trio um Beate Z. Bomben und Bombenattrappen in Jena deponiert und per Post versandt haben. Anfang 1998 hob die Polizei in einer Jenaer Garage ein Bombenlabor aus - spätestens da dürften die drei Rechtsextremen ins Blickfeld des Verfassungsschutzes geraten sein. Möglicherweise aber auch schon früher, denn sie gehörten dem rechtsextremen "Thüringer Heimatschutz" an, der 1997 aus der Gruppierung "Anti-Antifa-Ostthüringen" hervorging und als Sammelbecken der Thüringer Neonaziszene diente. 1998 gründete das Trio dann die rechtsextremistische Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" und tauchte ab - bis vergangene Woche, als Uwe B. und Uwe M. tot in einem ausgebrannten Wohnmobil in Eisenach gefunden wurden. Beate Z. stellte sich der Polizei. Zuletzt hatten die Drei unbehelligt in einer Wohnung im sächsischen Zwickau gelebt.

Seit 2007 soll auch der am Sonntag festgenommene Holger G. zu der Gruppe gehört haben. Er wurde gestern in Karlsruhe einem Richter des Bundesgerichtshofs vorgeführt. Dieser erließ noch am Abend Haftbefehl gegen den 37-Jährigen wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Er sitze nun in Untersuchungshaft, teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Kontakte zu V-Mann

Die Verfassungsschutzbehörden sowohl in Sachsen als auch in Thüringen betonten, sie hätten seit 1998 keine Spur zu dem Trio gehabt. Auch gebe es keinerlei Erkenntnisse über Geheimdienstverbindungen. Nach bislang unbestätigten Berichten könnte es aber Kontakte zu mindestens einem rechten Spitzel des Verfassungsschutzes, Tino Brandt, gegeben haben. Brandt war nicht nur bis zum Jahr 2001 V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes, sondern auch Chef des "Thüringer Heimatschutzes".

Im Zusammenhang mit der Mordserie einer Neonazi-Gruppe werden weitere bislang ungeklärte Straftaten überprüft. Das Landeskriminalamt in Bayern will möglicherweise den Anschlag auf den früheren Passauer Polizeichef Alois Mannichl neu untersuchen. Im Dezember 2008 war Mannichl an seiner Wohnhaustür in Fürstenzell nahe Passau niedergestochen und schwer verletzt worden. Um den Fall gab es viele Spekulationen. Hinter der Tat wurde der Racheakt eines Neonazis vermutet, weil Mannichl mit seinen Beamten mehrfach gegen Aufmärsche von Rechtsextremisten vorgegangen war. Das LKA hatte den Fall vorläufig zu den Akten gelegt. Der Täter wurde bis heute nicht gefasst. Die Gruppe soll auch für zwei Sprengstoffanschläge in Köln verantwortlich sein. Dies habe eine Analyse der DVD ergeben, die im Brandschutt der Zwickauer Wohnung entdeckt worden war, teilte ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Innenministeriums mit. Danach war zunächst im Jahr 2001 eine 19-jährige Deutsch-Iranerin durch eine Sprengfalle im Lebensmittelgeschäft ihrer Eltern schwer verletzt worden. Ein vermeintlicher Kunde hatte den Sprengsatz in einem Einkaufskorb deponiert. Im Jahr 2004 waren dann in der von vielen Türken bewohnten Keupstraße in Köln durch eine Nagelbombe 22 Menschen verletzt worden. Auch zu diesem Anschlag gebe es Hinweise auf der DVD. Die Bundesanwaltschaft übernahm gestern die Ermittlungen zum Nagelbombenanschlag.Berlin. Es sind Bilder voller Bösartigkeit, Hass und Menschenverachtung: das Bekennervideo der Neonazis. Rosarot lächelnd führt die Trickfilmfigur Paulchen Panther 15 Minuten lang durch eine Art Show, in der die Ermordeten verhöhnt und präsentiert werden. Dem "Spiegel" liegt die DVD vor. Die Bilder sind tief verstörend, die Montage ist bizarr. Zu sehen sind Orte der Anschläge - ein Blumenladen, ein Döner-Imbiss, ein Gemüsehandel, ein Schneiderladen. Kerzengerade und leise lächelnd deutet der rosarote Panther immer wieder auf eine Tafel im Scheinwerferlicht, sie verzeichnet eine Chronologie des Grauens. Pinkfarbene Blümchen markieren auf einer Landkarte Deutschlands die Orte der Morde. Umkränzt vom eher groben Strich der Zeichentrickserie aus den 60er Jahren sind die Fotos einkopiert, technisch eher aufwendig, in der Art der Erzählung dürftig und schlicht. Einige Bilder sind versehen mit Daten der Morde, andere mit Zeitungstiteln: "9. Türke erschossen", "Brutaler Mord am Döner-Stand".

Die Neonazis des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) zeigen nicht nur die Konterfeis der Opfer, sondern auch Fotos der Toten in ihrem Blut. Auch über Behörden und Ermittler äußert sich die Gruppe verächtlich. Auf den Hinterkopf eines vorbeilaufenden Polizisten feuert ein Revolver aus der Hand Paulchen Panthers aus nächster Nähe einen Schuss ab. "Keine Worte, sondern Taten" hat sich die Bande auf die Fahnen geschrieben. Und: : "Solange sich keine grundlegenden Änderungen in der Politik, Presse und Meinungsfreiheit vollziehen, werden die Aktivitäten weitergeführt." dpa

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