Geschlechterstereotype Auch Jungs sollen rosa tragen dürfen

London · Die britische Kaufhauskette John Lewis unterteilt ihre Kinderkleidung nicht länger in „Mädchen“ und „Jungen“. Eine polemische Entscheidung.

 Rosa für Mädchen, Blau für Jungs: Im britischen Warenhaus John Lewis gilt das nicht mehr. Aber nicht jeder ist davon begeistert.

Rosa für Mädchen, Blau für Jungs: Im britischen Warenhaus John Lewis gilt das nicht mehr. Aber nicht jeder ist davon begeistert.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Rosa Kleidchen und pinke Prinzessinnen-Strampler in einer Ecke, blaue Latzhosen und mit Autos bedruckte T-Shirts in der anderen – Klischees bestimmen seit jeher die Aufteilung in Läden und Modeabteilungen von Kinderbekleidung. Doch damit ist bei Großbritanniens beliebter Kaufhauskette John Lewis nun Schluss. Das vor allem bei der Mittelklasse als Institution geltende Unternehmen schafft die Kategorien „Boys“ und „Girls“ ab. „Wir wollen nicht länger Geschlechterstereotype befeuern“, sagte die Leiterin der Kinderbekleidung Caroline Bettis. Kinder und Eltern, so die Botschaft, sollen selbst wählen können, was sie ihrem Nachwuchs anziehen. Auf dem Etikett prangt „Boys & Girls“ oder „Girls & Boys“ und schließt so beide Geschlechter ein. John Lewis ist der erste Händler, der die geschlechterspezifischen Labels von Kinderbekleidung entfernt, ausgeschlossen bleiben vorerst noch Schuluniformen. Dabei hat sich am Stil kaum etwas verändert. Noch immer hängen beispielsweise Blumenröcke auf dem Kleiderbügel. Was John Lewis aber sagen will: Diese können eben auch von Jungs getragen werden. Zudem gibt es jetzt eine Unisex-Kollektion: Gelbe Pyjamas oder mit Dinosauriern bedruckte Shirts sollen jeden ansprechen.

Viele Eltern und Aktivisten lobten den „zukunftsweisenden“ Schritt. „Das ist eine so wichtige Maßnahme und ich hoffe, andere Händler werden folgen. Willkommen im
21. Jahrhundert“, schrieb eine Kundin auf Facebook. „Endlich, endlich, endlich!“, kommentierte eine erleichterte Mutter. Die Neuerung beim Kaufhausgiganten folgt auf einen Skandal, der kürzlich die Briten umtrieb: Die gemeinnützige Organisation National Trust verkaufte in ihren Geschenkeläden pinke Hüte für Mädchen mit der Aufschrift: „Zukünftige Fußballer-Ehefrau“. Auch andere Unternehmen wie etwa Gap wurden in der Vergangenheit für ihre als sexistisch gebrandmarkte Klamotten gescholten.

Die Entscheidung von John Lewis brachte dem Unternehmen nicht nur Lob ein, sondern löste in den sozialen Medien auch einen Sturm der Entrüstung aus. John Lewis solle sich schämen, sich der „politischen Korrektheit zu beugen“, schrieb eine aufgebrachte Twitter-Nutzerin und bekam Unterstützung von einem konservativen Abgeordneten, für den die jeweiligen Jungen- oder Mädchen-Etiketten „informativ“ seien. Der umstrittene Fernsehmoderator Piers Morgan fragt: „Können wir es überhaupt noch John Lewis nennen oder muss es jetzt Joan Lewis heißen?“ Er dürfte Zuspruch von jenem britischen Paar erhalten, das gerade mit Verweis auf den christlichen Glauben die Grundschule des Nachwuchses verklagt. Weil die Einrichtung einem sechsjährigen Mitschüler erlaubt hat, im Kleid zum Unterricht zu kommen, wäre der Sohn „verwirrt“ nach Hause gekommen mit der Frage, warum ein Junge nun ein Mädchen sei, beschwerten sich die Eltern.

Es handelt sich um eine Diskussion um Rollenmodelle, die schlichtweg dem Zeitgeist widerspricht. Denn wie die Elterninitiative „Let Clothes Be Clothes“ zurecht anmerkte: „Ein T-Shirt sollte einfach nur ein T-Shirt sein.“ Dasselbe gilt für das rosa Kleidchen und die blaue Latzhose.

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