"Auch ein Nobelpreisträger ist nicht plötzlich allwissend"

Heidelberg. Sein Büro atmet Bescheidenheit. Maximal 14 Quadratmeter groß, schlichtes Holz, statt Urkunden der zahlreichen Auszeichnungen selbst gemachte Fotos von Tiersafaris. Akten stapeln sich auf dem Schreibtisch, das Telefon klingelt im Sekundentakt

Heidelberg. Sein Büro atmet Bescheidenheit. Maximal 14 Quadratmeter groß, schlichtes Holz, statt Urkunden der zahlreichen Auszeichnungen selbst gemachte Fotos von Tiersafaris. Akten stapeln sich auf dem Schreibtisch, das Telefon klingelt im Sekundentakt. Von der Welt der Wissenschaft ist Harald zur Hausen (Foto: dpa), Nobelpreisträger und derzeit wohl Deutschlands bekanntester Krebsforscher, gerade meilenweit entfernt. "Grundlegend" habe sich sein Leben seit der Bekanntgabe der renommierten Auszeichnung verändert, gesteht der 72-Jährige.

Er trägt keinen weißen Kittel, sondern Zwirn und Fliege, er sieht müde aus, und sein Arbeitsalltag im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg glich in den vergangenen Wochen einem Staffellauf - Interviews, Preisverleihungen und Telefonate von morgens bis abends. Zwischendurch immer wieder Vortragsreisen.

Die letzte nach Bangkok bescherte zunächst ungeahnte Probleme, dann ein royales Flugerlebnis: Thailands König half dem Nobelpreisträger aus der Patsche und ließ ihn mit einem seiner Flugzeuge nach Deutschland fliegen, während Touristen weiter am blockierten Flughafen in Bangkok festsaßen. "Anders als diese armen Menschen habe ich gar nicht unter der Blockade gelitten", erzählt zur Hausen fast unangenehm berührt.

Im DKFZ war man jedoch erleichtert - die nächsten Interviews standen an. Mehr als 100 Gespräche hat zur Hausen in den vergangenen neun Wochen mit Journalisten aus Japan, Schweden, den USA und natürlich aus Deutschland geführt. Immer wieder steht er Rede und Antwort zu Fragen über Papillomviren, die er als Krebsauslöser identifiziert hat, aber auch über die deutsche Forschungslandschaft, über seine Karriere, über Gott und die Welt. "Gelegentlich ist das etwas ermüdend", sagt zur Hausen. "Ich habe viel zu viel geredet in letzter Zeit - und ich komme nicht mehr ins Labor", sagt der Vollblutforscher. Und so hat er sich für die Reise zur Preisverleihung auch nicht vorbereiten können. Da habe er auf seine Frau Ethel-Michele de Villiers vertraut, ebenfalls Wissenschaftlerin. Den Frack für die Preisverleihung hat er bereits seit Jahren. 1986 habe er diesen wohl gekauft, berichtet er. "Und er passt noch." Von der Ehrung waren der Westfale und sein Heidelberger Team überrascht. "Er stand wohl auf der Liste", erinnert sich DKFZ-Sprecherin Stefanie Seltmann. "Aber es hieß, in diesem Jahr wird das nichts." Als dann so gegen 10.45 Uhr der Name des Preisträgers aufblitzte, änderte sich das Leben von zur Hausen schlagartig.

Mitunter wundere er sich schon sehr, zu welchen Themen er plötzlich Stellung beziehen solle. "Es ist wirklich erstaunlich, dass man von anderen fast als ein anderer Mensch gesehen wird, als man es vorher war", sagt zur Hausen mit hörbarem Unwillen. "Aber man ist als Nobelpreisträger nicht allwissend. "Ich lege großen Wert darauf, mein Leben so bald wie möglich wieder normal führen zu können."

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