Assads Schlag gegen die Rebellen

Aleppo · Aleppo gehört seit langem zu den umkämpftesten Gebieten im syrischen Bürgerkrieg. Jetzt droht den Rebellen in der Stadt eine vollständige Niederlage – gegen Machthaber Assad und seine Verbündeten.

Das syrische Regime hat im Kampf um Aleppo die Rebellen in wichtigen Teilen der Großstadt zurückgeschlagen und damit eine neue Fluchtbewegung ausgelöst. Die Armee des Machthabers Baschar al-Assad und ihre Verbündeten nahmen nach heftigen Kämpfen und Luftangriffen den kompletten Norden der Rebellengebiete Aleppos ein, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und die staatliche Nachrichtenagentur Sana gestern meldeten. Damit haben die Regimegegner mehr als ein Drittel des bislang von ihnen kontrollierten Gebietes in der Stadt verloren. "Das ist die schwerste Niederlage der Rebellen, seitdem sie Aleppo 2012 eingenommen haben", sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman.

Rund 6000 Menschen seien in einen von Kurden beherrschten Stadtteil geflohen, erklärten die Menschenrechtler. Das Auswärtige Amt in Berlin forderte, dass die Kampfhandlungen eingestellt werden müssten. "Der Menschen in Aleppo willen ist eine sofortige humanitäre Feuerpause notwendig", sagte eine Sprecherin. Viele der Geflüchteten seien schwer verletzt, ohne noch die geringste Chance auf überlebensnotwendige medizinische Hilfe zu haben. "Diese Tragödie muss ein Ende haben. Dafür tragen das Regime und seine Unterstützer, allen voran Russland und Iran, die größte Verantwortung."

Die frühere Handelsmetropole Aleppo gehört im bald sechs Jahre dauernden syrischen Bürgerkrieg zu den umkämpftesten Gebieten. Als neben Damaskus größte Stadt des Landes ist sie strategisch und symbolisch wichtig. Bislang ist Aleppo geteilt: Das Regime und Verbündete kontrollieren die Stadtteile im Westen, Rebellen den Osten. Die Oppositionsgebiete sind seit Anfang September wegen einer Blockade der Armee von der Außenwelt abgeschottet. Versuche, eine dauerhafte Waffenruhe für die Stadt zu erreichen, scheiterten in den vergangenen Monaten.

Nach russischen Militärangaben nahmen Regimekräfte gestern zwölf Stadtviertel ein. Aktivisten aus der Stadt berichteten den ganzen Tag über von heftigen Luftangriffen. Russland ist Assads wichtigster Verbündeter und bombardiert seit mehr als einem Jahr Ziele im Land, darunter auch immer wieder in Aleppo . Den Regimegegnern droht nun in der seit Monaten umkämpften Stadt ein totaler Zusammenbruch. Sollte das Regime den Osten Aleppos vollständig einnehmen, wäre das ein massiver Rückschlag für die Rebellen. In diesem Fall hätte die Regierung die Kontrolle über alle großen Städte zurückgewonnen. Der Fall Aleppos könnte ein Wendepunkt im Bürgerkrieg sein.

Im Osten Aleppos sollen nach Schätzungen noch rund 250 000 Menschen leben. Wegen der Blockade fehlt es in den Rebellengebieten seit Wochen akut an Lebensmitteln, sauberem Trinkwasser, Strom und medizinischer Versorgung. Das internationale Rote Kreuz warnte, in dem eingekesselten Gebiet gingen die Nahrungsmittel zur Neige.

Meinung:

In Aleppo fällt die Entscheidung

Von SZ-Mitarbeiterin Birgit Cerha

Verzweiflung und Resignation hat die Menschen im eingeschlossenen Ost-Aleppo erfasst, während Assad seinen größten militärischen Erfolg absichert. Seit die Rebellen 2012 den Ost-Teil der Stadt erobert hatten, gelang es dem Regime nicht, die Metropole zurückzugewinnen. Das Kriegsverbrechen der Aushungerung und massive Bombardements haben nun durch den Fall des nördlichen Ost-Aleppo die Situation radikal verändert. Den terrorisierten Menschen bleibt nur die Wahl, sich ihrem Schicksal zu ergeben oder zu fliehen. In Aleppo entscheidet sich Syriens Schicksal. Assads Sieg ist nur eine Frage kurzer Zeit. Doch der Weg zu Frieden und Stabilität ist damit noch lange nicht beschritten.

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