Armes, reiches Königreich

London · Die Aristokratenfamilie vom Patenonkel des kleinen Prinzen George hat mehr Vermögen als die ärmsten zehn Prozent der britischen Bevölkerung. Insgesamt besitzen die fünf reichsten Familien mehr als die rund 12,6 Millionen Briten, die trotz Arbeit kaum über die Runden kommen.

Die Zahlen, die die Aktivisten der Organisation Oxfam gerade vorgestellt haben, erinnern an korrupte Dritte-Welt-Länder und weniger an europäische Demokratien: Die fünf reichsten Familien im Vereinigten Königreich besitzen zusammen mehr Vermögen als die 20 ärmsten Prozent der Bevölkerung, berichtete die Zeitung "Guardian". Das heißt, dass 12,6 Millionen Menschen gemeinsam auf ein Vermögen von 28,1 Milliarden Pfund (rund 33,5 Milliarden Euro) kommen. Die wohlhabendsten Familien wiederum besitzen insgesamt 28,2 Milliarden Pfund.

Weil die Schere zwischen Arm und Reich auf der Insel zunehmender größer wird, kritisiert Oxfam die Regierung in Westminster scharf. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Zahlen ist nicht zufällig. Heute hält der britische Schatzkanzler George Osborne seine jährliche Rede zum Staatshaushalt. Die Hilfsorganisation appelliert an ihn, auf das Problem der wachsenden Ungleichheit einzugehen. Der Oxfam-Bericht, der den Titel "Das Märchen von zwei Großbritanniens" trägt, fordert, dass der Staat am oberen Ende der Wohlstandsskala mehr auf Steuerehrlichkeit achtet. Die Regierung solle Steuertricks der Reichen verbieten, ein Mindesteinkommen für Bedürftige und eine Vermögenssteuer einführen. "Großbritannien wird zu einem tief gespaltenen Land, in dem sich die Einkommen der wohlhabenden Elite in einer Aufwärtsspirale befinden, während Millionen Familien kaum über die Runden kommen", beklagt Ben Phillips von Oxfam. Gründe für die zunehmend ungleiche Wohlstandsverteilung sind unter anderem sinkende Reallöhne und steigende Lebensmittel- und Benzinkosten.

Die meisten Beobachter rechnen damit, dass Osborne während der Veröffentlichung des Haushaltsbudgets eine moderate Steuersenkung verkünden wird, indem die konservative Regierung von Premier Cameron die Freibeträge erhöht. Zudem wird zukünftig wohl Staatsangestellten tiefer in die Tasche gegriffen.

Laut der aktuellen Forbes-Liste der fünf reichsten Familien steht die Aristokratenfamilie des Herzogs von Westminster, Gerald Cavendish Grosvenor, an erster Stelle. Er ist nicht nur finanziell am besten aufgestellt, auch sein Verhältnis zum Königshaus scheint eng. Grosvenor ist ein Patenonkel von Prinz George, dem Sohn von Prinz William und Herzogin Kate. Grosvenor und seine Angehörigen kommen auf ein Vermögen von rund 9,5 Milliarden Euro und besitzen damit mehr als die ärmsten zehn Prozent der britischen Bevölkerung. Ihr Reichtum fußt vor allem auf Immobilien, die in den besten Adressen Londons liegen. An zweiter Stelle stehen die Brüder Simon und David Reuben mit einem geschätzten Vermögen von 11,4 Milliarden Euro, dann folgen die Brüder Srichand und Gopichand Hinduja (7,1 Milliarden). Den fünften Platz belegt der Geschäftsmann Mike Ashley mit knapp vier Milliarden Euro. Ihm gehört unter anderem der Fußballklub Newcastle United.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort