Arbeitsmarkt bleibt vorerst stabil

Schwarzseher wurden mehr als einmal widerlegt, und auch dieses Mal stellt die reale Entwicklung ihre Prognosen womöglich wieder auf den Kopf: Trotz düsterer Konjunktur-Szenarien könnte der deutsche Arbeitsmarkt nach Einschätzung von Fachleuten die im kommenden Jahr drohende Rezession vergleichsweise glimpflich überstehen

Schwarzseher wurden mehr als einmal widerlegt, und auch dieses Mal stellt die reale Entwicklung ihre Prognosen womöglich wieder auf den Kopf: Trotz düsterer Konjunktur-Szenarien könnte der deutsche Arbeitsmarkt nach Einschätzung von Fachleuten die im kommenden Jahr drohende Rezession vergleichsweise glimpflich überstehen. Die Wirtschaftsflaute dürfte dem seit fast vier Jahre andauernden Job-Boom allenfalls einen leichten Dämpfer versetzen, schätzen Arbeitsmarktforscher. Der Arbeitsmarkt sei inzwischen widerstandsfähiger als noch vor fünf oder zehn Jahren.Ganz ohne Spuren am Arbeitsmarkt bleibt die mögliche Rezession dennoch nicht, betont etwa Sabine Klinger vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Die Leiterin des Forschungsbereichs Konjunktur und Arbeitsmarkt hat daher in Abstimmung mit ihren Kollegen ihre Erwartungen für 2009 zurückgeschraubt. War das IAB in seiner Projektion für das kommende Jahr ursprünglich noch von einem Rückgang der durchschnittlichen Jahresarbeitslosigkeit um 40000 ausgegangen, so rechnet das Forschungszentrum der Bundesagentur für Arbeit (BA) inzwischen mit einer Stagnation auf dem für 2008 erwarteten Niveau von 3,26 Millionen.

Der vergleichsweise niedrige Jahresdurchschnittswert hänge aber vor allem mit der zum Jahresbeginn voraussichtlich ungewöhnlich niedrigen Arbeitslosigkeit zusammen. "Im Verlauf des Jahres dürfte sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt dann aber schon verschlechtern", gibt Klinger zu bedenken.

In der Regel wirkten sich konjunkturelle Entwicklungen erst mit einem halben Jahr Verspätung auf dem Arbeitsmarkt aus.Schließlich sei die Konjunktur zwar weiterhin ein wichtiger Faktor auf dem Arbeitsmarkt - "aber längst nicht mehr der einzige", wie Klinger betont. Vor allem der Strukturwandel in der Wirtschaft während der vergangenen zwei bis drei Jahre habe den Arbeitsmarkt weitaus resistenter gegen wirtschaftliche Krisen gemacht als noch in den 90er Jahren.

So hätten Unternehmen zu Beginn des aktuellen Wirtschaftsaufschwungs sehr zurückhaltend eingestellt. Erst als die Arbeitsverdichtung für die Stammbelegschaften zu groß geworden sei, seien neue Stellen geschaffen worden. "Die Arbeitsverdichtung hat sich damit auf ein normales Maß verringert. Dadurch können nicht alle, die in der jüngsten Aufschwungphase eingestellt wurden, wieder entlassen werden. Ein Gutteil des Beschäftigungsaufbaus passt zu den neuen Produktionsstrukturen", betont die Arbeitsmarktforscherin. Auch lasse der in einigen Branchen bestehende Fachkräftemangel Unternehmer vor Entlassungen zurückschrecken, sagt Klinger.

"Unternehmen überlegen, qualifizierte Mitarbeiter auch dann zu halten, wenn sie gerade nicht gut ausgelastet sind - wohl wissend, dass eine gute Fachkraft nur schwer und teuer zu bekommen ist", erläutert die Expertin. Zur Robustheit des Arbeitsmarktes tragen nach ihrer Erkenntnis aber auch die Arbeitsmarktreformen bei.

Der wachsende Druck der Arbeitsagenturen veranlasse inzwischen mehr Arbeitslose, auch Stellen anzunehmen, die sie früher abgelehnt hätten.Trotz dieser strukturellen Veränderungen sähe die Lage auf dem Arbeitsmarkt ohne die demografischen Veränderungen weitaus düsterer aus: Allein in diesem Jahr drängten nach IAB-Erkenntnissen rund 80000 weniger Menschen auf den Arbeitsmarkt als im Jahr zuvor - viele sind in Rente gegangen. Im nächsten Jahr rechnet das IAB sogar mit 130000 weniger. Damit werde der Arbeitsmarkt erheblich entlastet.

Hintergrund

In der Telekommunikations- und Computerbranche werden derzeit rund 45000 Spezialisten gesucht. Gefragt sind vor allem Software-Entwickler, Projektmanager und Berater, wie aus einer aktuellen Umfrage bei mehr als 1500 Unternehmen hervorgeht, die der Branchenverband Bitkom gestern veröffentlichte."Die Finanzkrise hatte bis dato offenbar kaum Einfluss auf den Arbeitsmarkt für IT-Experten", sagte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer. Die Zahl der offenen Stellen liege sogar leicht über Vorjahresniveau. Wie stark sich die Krise mittelfristig auf die Geschäfte auswirken werde, sei derzeit schwer abzusehen, sagte der Aufsichtsratschef von IDS Scheer in Saarbrücken. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Sicherheitsgurte im Bauch Unter den äußeren, sichtbaren Bauch- und Rückenmuskeln liegen kleinere Muskeln, deren Bedeutung meist unterschätzt wird. Diese inneren Muskeln bilden das Haltesystem, das unsere Wirbelsäule aufrichtet und stabilisiert. Man sprich
Sicherheitsgurte im Bauch Unter den äußeren, sichtbaren Bauch- und Rückenmuskeln liegen kleinere Muskeln, deren Bedeutung meist unterschätzt wird. Diese inneren Muskeln bilden das Haltesystem, das unsere Wirbelsäule aufrichtet und stabilisiert. Man sprich