„Arbeitslosigkeit konnte beträchtlich reduziert werden“

Peter Hartz, „Vater“ der Arbeitsmarkt-Reformen, sieht diese auch heute noch als Beitrag zur deutlichen Senkung der Arbeitslosigkeit an. Europa blicke auf Deutschland, weil man das Problem angepackt habe. Mit Hartz sprach SZ-Redakteur Thomas Sponticcia.

Vor zehn Jahren wurden die Hartz-IV-Reformen am Arbeitsmarkt eingeführt. Aus Ihrer Sicht ein Erfolg?

Hartz: Aus meiner Sicht ist die Reform unterm Strich gelungen. Die Arbeitslosigkeit konnte beträchtlich reduziert werden. Zu Beginn der Reformen hatten wir über fünf Millionen Arbeitslose in Deutschland , heute liegen wir bei rund drei Millionen. Außerdem sollte fortan jedem Bürger, der arbeitsfähig ist, auch ein Angebot am Arbeitsmarkt gemacht werden. Mit dem Vorteil, dass er nicht in einer Sackgasse landet.

Was war die größte Verbesserung der Reformen ?

Hartz: Das war die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe. Auf diese Weise haben wir deutlich mehr Menschen erreichen können als vorher. Außerdem haben wir gemeinsam in der Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, unter der die Reformen entstanden sind, neue Maßstäbe definiert, was einem Arbeitslosen zumutbar ist. Jeweils abhängig von der persönlichen Lebenssituation. Ein Beispiel: Einem alleinstehenden Single ist ein Wohnortwechsel mit neuem Arbeitsplatz eher zumutbar als einem Familienvater, der mehrere Kinder hat und vielleicht noch eine kranke Ehefrau.

Kritiker der Hartz-IV-Reformen monieren, dass viele Arbeitslose nach Einführung der Reformen finanzielle Kürzungen in Kauf nehmen mussten. Und vielen Menschen bis heute Armut drohe.

Hartz: Jeder Mensch braucht ein menschenwürdiges Einkommen. Wir hatten in der Kommission ursprünglich eine andere Vorstellung als diejenige, die dann von der Politik umgesetzt worden ist. Wir haben damals ein Arbeitslosengeld 2 vorgeschlagen in Höhe der durchschnittlichen Arbeitslosenhilfe . Die lag damals bei 511 Euro monatlich. Die Politik hat sich dann für das Niveau der Sozialhilfe entschieden, der Regelsatz landete bei 345 Euro.

Wenn Sie die heutige Situation beurteilen: Was müsste am Arbeitsmarkt weiter verbessert werden?

Hartz: Es muss mehr für Langzeitarbeitslose getan werden, die ein Jahr und länger keine Beschäftigung finden. Jeder Arbeitslose hat Talente, die man aber erst gezielt erkennen und systematisch fördern muss. Wir beschäftigen uns gemeinsam mit einem Team schon lange in unserer Stiftung der SHS Foundation in Saarbrücken mit diesem Thema. Deshalb haben wir eine Talentdiagnostik entwickelt, mit der man gezielt in Beratungsgesprächen die Talente des Einzelnen in den Mittelpunkt stellen kann. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist der von uns entwickelte Beschäftigungs-Radar. Mit diesem System kann man gezielt bis in Regionen, Städte und sogar Straßen genau ermitteln, wo es Nachfrage nach bestimmten Dienstleistungen gibt.

Würden Sie heute noch einmal mit Ihrem Namen für ein solches Reformwerk zur Verfügung stehen, wenn man Sie fragen würde?

Hartz: Als Staatsbürger kann man sich nicht verschließen, wenn man vom Bundeskanzler gefragt wird, ob man bereit ist, an der Lösung eines Problems mitzuwirken, von dem man etwas versteht.

Ihr Rat ist mittlerweile sehr gefragt, auch im Ausland. Man blickt auf Deutschland . Worauf führen Sie zurück, dass Sie so stark gefragt sind, etwa auch in Frankreich.

Hartz: Deutschland hat seine Probleme am Arbeitsmarkt offensiv angepackt und sie zum Teil schon gelöst. Das größte Problem in Europa ist derzeit die Jugendarbeitslosigkeit. Ein Skandal. 5,4 Millionen junge Menschen in Europa haben keine Arbeit. Das muss oberste Priorität in der Arbeit der europäischen Regierungschefs werden. Es gibt schon gute Vorschläge zur Lösung dieser Problematik. Man muss sie aber auch richtig anpacken.

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