Droh-Emails in Stadtverwaltungen Angst vor Bombe im Neunkircher Rathaus

Neunkirchen/Saarbrücken · Seit Monaten verbreiten Droh-Mails Schrecken in deutschen Stadtverwaltungen und Gerichten. Gestern traf es erneut das Saarland.

 Nach einer Droh-E-Mail ist das Umfeld des Neunkircher Rathauses von der Polizei abgesperrt, während Spürhunde nach Sprengstoff suchen.

Nach einer Droh-E-Mail ist das Umfeld des Neunkircher Rathauses von der Polizei abgesperrt, während Spürhunde nach Sprengstoff suchen.

Foto: BeckerBredel

. Dienstag, 10.08 Uhr in Neunkirchen: Ein Knall geht durch die Luft. Scheiben vibrieren. Innehalten. Fünf Sekunden später wieder: wumms. Wieder innehalten. Was ist da los? Zwei Stunden zuvor gab es  die beunruhigende Nachricht: Im Neunkircher Rathaus war eine Bombendrohung eingelaufen. Nachts um 1.37 Uhr kam sie per E-Mail. Gelesen hat sie ein Beamter am frühen Morgen kurz nach sieben Uhr bei Dienstbeginn. Wenig später ist das Verwaltungsgebäude geräumt. Die etwa 400 Mitarbeiter sollen an diesem Tag einfach zu Haus bleiben. Der evangelische Kindergarten „Haus des Kindes“ in der Nähe ist ebenfalls evakuiert. Die Polizei durchsucht gerade das Rathaus nach Bomben. Mit 30 Beamten und vier Sprengstoffhunden.

Und dann: wumms. Das Bliestal hält inne. Beim Facebook-Auftritt der Saarbrücker Zeitung laufen Fragen auf: „Was hat da eben so gescheppert?“ Das Rathaus? Anruf bei der Neunkircher Polizei. Niemand hebt ab. Zunächst. Fünf Minuten später der zweite Anruf bei den Ordnungshütern: Ein Beamter gibt Entwarnung. Der Knall kam nicht vom Rathaus, sagt er. Ein Flugzeug, das die Schallmauer durchbrochen hat, vermutet er. Sicher ist zu diesem Zeitpunkt: Bombendrohungen können Angst verbreiten. Egal wie. Und egal wann.

In der Droh-Mail war offenbar von einem „Tag der Rache“ die Rede. Sogar technische Details zu Sprengstoff und Zünder wurden genannt. „Aufgrund der verwendeten Fachbegriffe mussten wir davon ausgehen, dass eine tatsächliche Gefahr droht“, sagte der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Neunkirchen, Helmut Berg. Jörg Aumann, Bürgermeister der Hüttenstadt, war am Morgen gerade „auf dem Sprung“ ins Rathaus, als er von der Bombendrohung per Telefon von einem Kollegen erfuhr. Später spricht er von einem Gefühl der Hilflosigkeit und Wut. „Irgendwelche Idioten legen einfach unser Rathaus lahm.“ Oberbürgermeister Jürgen Fried erreicht die beunruhigende Nachricht auf der Fahrt nach Köln zu einem dienstlichen Termin.

Neunkirchen war nicht die einzige Stadt, in deren Amtsstube eine Droh-E-Mail einging. Fast zeitgleich mussten auch die Rathäuser in Kaiserslautern, Augsburg, Göttingen, Chemnitz und Rendsburg in Schleswig-Holstein wegen einer Bombendrohung geräumt werden. Die Einrichtungen waren gestern Vormittag über mehrere Stunden lahmgelegt, nach und nach gab es am Mittag Entwarnung. Gefunden wurde nichts. Bei den Stadtverwaltungen von Heilbronn und Schwerin trafen ebenfalls Drohungen ein. Sie wurden aber als nicht ernsthaft eingestuft und führten daher nicht zu Evakuierungen. Nach Angaben der Polizei ging ein solches Schreiben bundesweit bei vielen Städten ein. Ob und wie die Drohungen aber zusammenhingen, war unklar. Auch zu den Hintergründen war zunächst  nichts bekannt.

Der Deutsche Städtetag verurteilte die Drohschreiben scharf. Man wolle dennoch den offenen Charakter der Rathäuser nicht aufgeben, sagte Städtetagspräsident Markus Lewe. „Offenheit, Dialogbereitschaft und Dienst für die Gemeinschaft dürfen nicht durch Drohungen einzelner in Frage gestellt werden“, betonte Lewe, der zugleich Oberbürgermeister von Münster ist.

Seit Monaten gibt es eine deutschlandweite Serie von Drohschreiben mutmaßlicher Rechtsextremer an Politiker, Behörden, Gerichte, Finanzämter, Rathäuser, Anwaltskanzleien oder Verlage. Sie drohen mit Bomben oder – wie im Falle der Bundestagsabgeordneten Martina Renner (Linke) – damit, „Bürger auf offener Straße zu exekutieren“. Schon mehrfach wurden Gebäude daraufhin evakuiert, Sprengkörper wurden aber bislang nicht gefunden. Die Berliner Staatsanwaltschaft, die federführend ermittelt, spricht inzwischen von deutschlandweit 100 Fällen.

Im Saarland wurde das Landgericht Saarbrücken am 11. Januar vorübergehend geräumt, nachdem eine mit „nationalsozialistische Offensive“ unterzeichnete Mail mit einer Bombendrohung eingegangen war. Wenige Tage später hatte ein Unbekannter per E-Mail eine solche Drohung an das Pfälzische Oberlandesgericht in Zweibrücken verschickt und damit einen Polizeieinsatz mit Sprengstoffspürhunden ausgelöst.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort