Angehörige können sich länger freistellen lassen

Wie ist die geltende Rechtslage? Schon seit Mitte 2008 ist es möglich, dass sich Arbeitnehmer bis zu einem halben Jahr teilweise oder komplett von der Arbeit freistellen lassen können, um nahestehende Angehörige zu pflegen. Dazu zählen insbesondere Großeltern, Eltern Schwiegereltern, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner sowie Kinder, darunter auch Adoptiv- und Stiefkinder

Wie ist die geltende Rechtslage?

Schon seit Mitte 2008 ist es möglich, dass sich Arbeitnehmer bis zu einem halben Jahr teilweise oder komplett von der Arbeit freistellen lassen können, um nahestehende Angehörige zu pflegen. Dazu zählen insbesondere Großeltern, Eltern Schwiegereltern, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner sowie Kinder, darunter auch Adoptiv- und Stiefkinder. Der Anspruch auf Freistellung gilt aber nur in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten. Auch erhalten die Angehörigen während der Pflegezeit keinerlei Gehalt. Nur die Sozialversicherungsbeiträge werden weiter übernommen.

Was will die Ministerin ändern?

Die Familienministerin plant, den Rechtsanspruch auf Pflegezeit von sechs Monaten auf bis zu zwei Jahre zu verlängern und dafür eine Art Arbeitszeitkonto einzurichten. In der Pflegezeit soll der Betreuende mindestens zur Hälfte weiter arbeiten, dafür aber 75 Prozent seines Gehalts bekommen. Nach der Pflegezeit müsste er dann wieder voll arbeiten, bekäme aber weiter 75 Prozent des Gehalts. Und zwar so lange, "wie er zuvor Teilzeit gearbeitet hat - bis also das Zeit- und das Gehaltskonto wieder ausgeglichen sind", so die Ministerin.

Was kostet das Modell den Staat?

Durch den nachträglich erarbeiteten Gehaltsausgleich für die bisherige Pflegezeit finanziert sich das Modell weitgehend selbst. Dem Staat entgeht lediglich ein Teil der Lohnsteuer, weil nur 75 Prozent des Gehalts gezahlt werden.

Macht die Wirtschaft mit?

Die Wirtschaft ist skeptisch. Nach den Worten von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt bieten Tarifverträge und andere betriebliche Abmachungen schon jetzt "umfassende Möglichkeiten" für die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Ministerin Schröder ist da anderer Auffassung. Zugleich warnte Hundt vor weiteren Kostenbelastungen, die etwa eintreten könnten, wenn Arbeitnehmer ihr Unternehmen verlassen, bevor die durch die Pflegezeit unterbliebene Arbeit nachgeholt ist. Auch die Ministerin sieht hier "ein gewisses Risiko" für die Betriebe. "Wie sich Unternehmen dagegen absichern können, lassen wir gerade durchrechnen", sagte Schröder.

Welche Rolle spielt überhaupt die häusliche Pflege?

Von den rund 2,3 Millionen Pflegebedürftigen werden nach Angaben der Deutschen Hospiz Stiftung 1,5 Millionen Menschen zuhause gepflegt, darunter eine Million ausschließlich von ihren Angehörigen. Innerhalb von zwölf Jahren ist der Anteil der pflegenden Angehörigen, die berufstätig sind, von 40 auf 54 Prozent gestiegen. Die Pflegereform von 2008 sah eine Stärkung der ambulanten Pflege vor. Offenbar mit Erfolg. So sind die Ausgaben für die stationäre Pflege im ersten Halbjahr 2009 erstmals nach langer Zeit deutlich schwächer gestiegen als für Pflegegeld und Pflegesachleistungen.

Wie reagieren Politik und Betroffenen-Verbände?

Der Koalitionspartner FDP ist wenig begeistert. Vereinbarungen über Pflege und Beruf sollten eher auf freiwilliger Basis in den Betrieben getroffen werden, sagte Fraktionschefin Birgit Homburger. Anders der Deutsche Pflegerat: "Dass sich die Regierung Gedanken über eine Regelung im Interesse der Pflegebedürftigen und ihrer berufstätigen Angehörigen macht, ist sehr begrüßenswert", sagte Pflegerat-Präsident Andreas Westerfellhaus unserer Zeitung. Allerdings brauche es auch eine professionelle Beratung der Pflegedienste, damit die Pflegenden in schwierigen Situationen nicht allein da stünden. Der drohende Mangel an geschulten Pflegekräften lasse sich nicht durch Laien kompensieren, warnte Westerfellhaus.

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