Jusos gegen Parteispitze „Andrea, hast du da wirklich noch mal Bock drauf?“

Saarbrücken · Von Fatima Abbas

Das Logo des Bundeskongress der Jusos ist im E-Werk in Saarbrücken großflächig in der Halle zu sehen.

Das Logo des Bundeskongress der Jusos ist im E-Werk in Saarbrücken großflächig in der Halle zu sehen.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Da kann ihre Andrea noch so heftig wettern: Die Jusos lassen sich nicht beirren. Sie bleiben bei ihrem „Nein“ zur Groko. Auch wenn die Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion am Samstagnachmittag im Saarbrücker E-Werk fast alle Register zieht: Andrea Nahles provoziert, wirft der Parteijugend eine zu starre Haltung vor, lässt aber auch immer wieder die verständnisvolle Jusos-Mama durchblitzen.

Von 1993 bis 1995 war sie selbst Vorsitzende der Jungsozialisten. Sie weiß, wo sie den Nachwuchs packen muss. Auch wenn der diesmal besonders zäh ist.

Als Nahles die Bühne betritt, ist der Applaus verhalten, Teile der hinteren Reihen lassen die Hände gleich ganz auf dem Tisch. Das spürt Nahles, die als erste Frau an der Spitze der Bundestagsfraktion Parteigeschichte schreibt. Dafür bekommt sie von den Jusos dann doch ein Lob.

Die Stimmung löst sich, Nahles kokettiert damit, dass sie damals bei ihrer Wahl zur Jusos-Chefin von einem so guten Ergebnis wie der frisch gekürte Kevin Kühnert nur hätte träumen können. Dann kommt sie zur Sache: „Es gibt, weiß Gott, gute Gründe, gegen eine große Koalition.“

Merkel habe ihre Partei als „nicht mehr regierungsfähig“ verhöhnt. Nahles nennt das Ende von Jamaika einen „bürgerlichen Rosenkrieg, für den das ganze Land in Haftung genommen wird“, und wirft prompt hinterher: „und wir auch!“ Dann schlägt sie die Brücke zur „neuen Lage“ ihrer Partei und stellt in gewohnt derber Manier fest: „Wir brauchen in den nächsten Wochen alle, auch die Jusos, um aus der von anderen angerührten Kacke einen guten Weg nach draußen zu finden.“

Sie sei nicht nach Saarbrücken gekommen, „um Höflichkeiten auszutauschen“, sondern um sich „anzulegen“. Schließlich befinde sich die Partei in einer „verdammten Zwickmühle“, es gebe „keine linken Mehrheiten mehr“. Den Nachwuchs bittet sie inständig, sein „apodiktisches“ Nein zur Groko zu überdenken. Verspricht, dass es bei den Gesprächen mit der Union „keine Tricks“ geben werde.

Juso-Chef Kühnert ist skeptisch: „Verantwortung bedeutet auch, gerade nicht in eine bestimmte Konstellation zu gehen.“ Eine Delegierte aus Bayern argumentiert, dass die SPD unter der großen Koalition ihre Werte verraten habe. Der von Nahles erkämpfte Meilenstein Mindestlohn sei aufgeweicht worden, eine progressive Politik mit den Unionsparteien nicht möglich. „Andrea, hast du da wirklich noch mal Bock drauf? Wir nicht!“ Klare Ansage.

Auch die Delegierte Stella Rütten aus NRW sieht ihre Partei derzeit nicht auf der Regierungsbank: „Wir dürfen die Opposition nicht den Rechtspopulisten überlassen.“ Der Parteinachwuchs ist nach vier Jahren Groko ernüchtert. „Wir sind misstrauisch, ob es wirklich ein so offener Prozess wird“, sagt Susanne Kasztantowicz aus Hessen. Die Jusos seien bereit, im Falle eines Mitgliederentscheids über die große Koalition, vehementer als je zuvor für eine Absage zu werben.

So muss auch der SPD-Landesvorsitzende Heiko Maas in seiner Rede um Zuspruch ringen. Sein Eingangsstatement: Die Zukunft der SPD entscheidet sich nicht dadurch, ob sie an der Regierung ist oder in der Opposition.

Der Partei fehle ein Projekt, eine Antwort auf den „digitalen Kapitalismus“ von Großkonzernen wie Apple und Google, auf die sozialen Fragen der Zeit. Maas wirbt für die „Vereinigten Staaten von Europa“ und für eine Schlüsselrolle der SPD in diesem Prozess.

Er stimmt den Nachwuchs auf schwierige Wochen ein, mahnt, dass die Meinungen zu einer Regierungsbeteiligung innerhalb der SPD „sehr unterschiedlich“ seien. „Niemand hat die Weisheit gepachtet.“ Schulterzucken und nachdenkliche Gesichter. Die Jusos dürften das Saarland gestern mit gemischten Gefühlen verlassen haben.

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