An der Weser bleibt alles beim AltenFreud und Leid bei den Parteien in BerlinEin Drittel der Wähler unter 18 stimmt für die Grünen

Bremen. Fast alles ist beim Alten an der Weser. Die SPD bleibt stärkste Partei. Nach den vergangenen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz setzen die Grünen auch in Bremen ihren Höhenflug fort. Schon vor dem Urnengang haben sich die Koalitionäre die Fortsetzung der Zusammenarbeit in die Hand versprochen und Treue geschworen

 Jens Böhrnsen, beliebter Stadtvater, regiert Bremen auch weiterhin. Foto: dpa

Jens Böhrnsen, beliebter Stadtvater, regiert Bremen auch weiterhin. Foto: dpa

Bremen. Fast alles ist beim Alten an der Weser. Die SPD bleibt stärkste Partei. Nach den vergangenen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz setzen die Grünen auch in Bremen ihren Höhenflug fort. Schon vor dem Urnengang haben sich die Koalitionäre die Fortsetzung der Zusammenarbeit in die Hand versprochen und Treue geschworen. Doch nun wollen die Grünen in der Beziehung auf "Augenhöhe" von den Genossen mehr Zugeständnisse bei der Machtverteilung fordern.Schon vor dem Urnengang hatten sie angesichts der positiven Umfragen den Druck auf die SPD erhöht. Kaum gab es die ersten Prognosen, legte Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) für die Koalitionsverhandlungen nach. "Wir erwarten auch, dass wir durch das gute Wahlergebnis mehr Verantwortung in der Regierung übernehmen können."

Ein Trumpf für die Grünen: Sie haben die CDU überflügelt. Am Sonntagabend sah es zwar nicht so aus, es war aber auch nicht ausgeschlossen, dass die Grünen rein rechnerisch am Ende auch mit den Christdemokraten koalieren und nach Baden-Württemberg den zweiten Regierungschef stellten könnten. Spitzenkandidatin Karoline Linnert schloss solche Machtspiele zwar bereits im Wahlkampf aus. Doch in den Reihen der Sozialdemokraten warnt man davor, dass manch ein Grüner mit dieser Option liebäugeln könnte. Endgültige Ergebnisse gibt es an der Weser erst zur Wochenmitte.

Während SPD und Grüne nach Bekanntgabe der Daten aus ihrem Freudentaumel nicht mehr herauskamen, endete die Wahl für Christdemokraten und Liberale in einem Debakel. Die CDU, mit dem klaren Ziel angetreten, ins Rathaus einzuziehen und nach Jahrzehnten SPD-geführter Regierungen einen Wechsel herbeizuführen, erzielen mit rund 20 Prozent möglicherweise das schlechteste Ergebnis seit Jahrzehnten. Der Optimismus und die Kampfeslust der Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann versandete in einem mäßig interessanten, themenarmen und eher müden Wahlkampf. Auch die Durchhalteparolen der Kanzlerin Angela Merkel zum Wahlkampfabschluss konnten das Blatt nicht wenden.

Für die FDP kam jeder mögliche neue Schwung nach dem Bundesparteitag und der Wahl Philipp Röslers zum Bundesvorsitzenden zu spät. Nach einem vier Jahre dauernden Intermezzo in der Bürgerschaft wird sie nicht mehr auf den Oppositionsbänken Platz nehmen. Die Linke indes wird wohl wieder einziehen, ebenso wie die Bürger in Wut mit einem Sitz.

Ein Fiasko ist die Wahlbeteiligung. Was zu der niedrigsten Beteiligung in der Geschichte des kleinsten Bundeslandes geführt hat, wird noch analysiert werden müssen. "Es ist eine herbe Enttäuschung", sagte Parlamentspräsident Christian Weber (SPD). Er bedauert er zudem die stark dezimierte Opposition in der neuen Bürgerschaft. "Das ist nicht gut für die Demokratie." Nach einer Prognose gaben nur knapp 54 Prozent der rund 500 000 Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Vor vier Jahren waren es noch 57,5 Prozent gewesen. Und in diesem Jahr durften erstmals auch die 16- und 17-Jährigen wählen.

Berlin. Die Sozialdemokraten hatten gestern Abend allen Grund zum Jubel. Bremen war die fünfte Landtagswahl im laufenden Jahr. Stets reichte es für die SPD dabei, entweder die Regierung mit- oder sogar allein zu stellen. "Das ist eine schöne Serie", schwärmte der Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel. Für einen Moment schien vergessen zu sein, dass es im Rest der Republik ganz anders aussieht.

Ganz anders die Grünen. Gefühlt sind sie die eigentlichen Gewinner des Wahltages. Nicht nur, dass sie die höchste Zuwachsrate erzielten und die Koalition mit der SPD fortsetzen können. Zum ersten Mal in der grünen Parteigeschichte ist man bei einer Landtagwahl auch stärker als die CDU geworden. "Ich bin bodenständig genug, um nicht abzuheben", sagte Fraktionschef Jürgen Trittin. Er suchte auch gleich eine neue Diskussion über einen grünen Kanzlerkandidaten zu unterbinden. Nach seinen Worten soll darüber erst im nächsten Jahr entschieden werden.

Was SPD und Grüne entzückte, schmerzte die Christdemokraten im Berliner Konrad-Adenauer-Haus heftig. Vielleicht hänge es ja auch damit zusammen, dass die CDU nicht für eine Regierungsbeteiligung gebraucht worden sei, versuchte sich der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, das Debakel zu erklären. Tatsächlich hatten SPD und Grüne im Wahlkampf an der Weser immer klar gemacht, dass sie ihr Bündnis fortsetzen wollen. Mit der CDU haben die Bremer Grünen traditionell ohnehin nichts am Hut.

Am schlimmsten erwischte es die FDP - und das eine Woche nach dem selbst verordneten Neuanfang der Bundespartei. Man habe sich ja gerade erst auf dem Weg gemacht, neues Vertrauen zu gewinnen, tröstete Partei-Generalsekretär Christian Lindner die Seinen. "Das braucht Zeit, bis das wirkt."

Bei den Linken hatte man zwischenzeitlich schon von einem zweistelligen Ergebnis geträumt. Doch als die Prognose über die Fernsehschirme flimmerte, war man schon froh, überhaupt wieder im Parlament zu sein. Streitereien in der Landespartei und die Reibereien an der Bundesspitze hatten bei den Wählern offenbar für Ernüchterung gesorgt. Trotzdem wertete Parteichefin Gesine Lötzsch das Abschneiden als Erfolg. vet

Berlin/Bremen. Die Bremer Bürgerschaftswahl wurde nach Ansicht der Forschungsgruppe Wahlen eindeutig vor Ort entschieden. Sie begründete den Wahlsieg der Sozialdemokraten vor allem mit deren Sachkompetenz und dem hohen Ansehen von Bürgermeister Jens Böhrnsen. Es gebe in Bremen eine "kritische Distanz gegenüber der CDU vor Ort". Die Bundespolitik spielte für den Wahlausgang kaum eine Rolle. Für 70 Prozent der Wähler war die Politik in Bremen wichtig, nur für 25 Prozent der Bund wichtiger.

Maßgeblichen Anteil am SPD-Erfolg haben die über 60-Jährigen. Bei den erstmals bei einer Landtagswahl wahlberechtigten 16- und 17-Jährigen sind die Grünen demnach mit 34 Prozent noch etwas stärker als bei allen jüngeren Wählern.

Bürgermeister Böhrnsen gab laut Forschungsgruppe "in bester Tradition seiner Amtsvorgänger dem SPD-Sieg einen Namen": Mit einer guten Arbeitsbilanz und parteiübergreifender Wertschätzung erzielte er Imagewerte, die vor ihm in den vergangenen drei Jahrzehnten nur eine Handvoll anderer Ministerpräsidenten schafften. Die wenig bekannte CDU-Herausforderin Rita Mohr-Lüllmann lag in der Frage nach dem gewünschten Bürgermeister 54 Punkte hinter dem Amtsinhaber. 67 Prozent wollten Böhrnsen, 13 Prozent Mohr-Lüllmann als Bürgermeister(in). dpa

"Wir erwarten, dass wir durch das gute Ergebnis mehr Verant- wortung übernehmen können."

Karoline Linnert

(Grüne)

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