An den Unis wird es eng

Berlin. Für die Länder ist es eine Katastrophe mit Ansage: Durch die gestern vom Bundeskabinett beschlossene Aussetzung der Wehrpflicht wird es eng an den heimischen Universitäten. Das Bundesbildungsministerium geht für den kommenden Sommer von bis zu 59 000 Studienanfängern aus, die zusätzlich in die Hörsäle drängen

Berlin. Für die Länder ist es eine Katastrophe mit Ansage: Durch die gestern vom Bundeskabinett beschlossene Aussetzung der Wehrpflicht wird es eng an den heimischen Universitäten. Das Bundesbildungsministerium geht für den kommenden Sommer von bis zu 59 000 Studienanfängern aus, die zusätzlich in die Hörsäle drängen. Denn schon ab März 2011 soll es keine pflichtmäßigen Einberufungen mehr geben. Gleichzeitig wird in Bayern und Niedersachsen wegen der Verkürzung der Gymnasialzeit ein doppelter Abiturjahrgang fertig, was nach Angaben der Hochschulrektorenkonferenz nochmals 30 000 zusätzliche Studenten bedeuten könnte.Die Chancen, den gewünschten Studienplatz zu ergattern, dürften sich so für viele Interessenten drastisch verschlechtern. Bei Numerus-Clausus-Fächern wie Medizin wird eine Bewerbung mit einem schlechteren Abi-Durchschnitt als 1,0 wohl aussichtslos sein, heißt es. "Ein ganzer Jahrgang wird um seine Chancen gebracht", fürchtet etwa Martin Stadelmeier (SPD), Chef der Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz.

Die Ministerpräsidenten der Länder haben das Thema gestern bei einer Zusammenkunft in Berlin erörtert - und die Rechnung weit von sich geschoben. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) verwies auf einen Beschluss, wonach der Bund als Verursacher der Aussetzung der Wehrpflicht die entstehenden Mehrkosten bei der Bildung "in voller Höhe" tragen müsse. Diese Position vertraten die Länderfürsten auch in einem anschließenden Gespräch mit Bundeskanzlerin Angelas Merkel (CDU). Dem Vernehmen nach ist der Bund bereit, allenfalls die Hälfte der Mehrkosten zu schultern.

Die Länder werfen der Bundesregierung vor, die Folgen für die Studierenden im Zuge der Entscheidung über die Wehrpflicht nicht bedacht zu haben. Der Bund hätte zum Beispiel den Übergang zur Freiwilligenarmee zeitlich strecken können. Oder eben rechtzeitig Studienplätze schaffen und finanzieren müssen. Die Aussetzung der Wehrpflicht sei eine "Hals-über-Kopf-Aktion". Befürchtet wird auch, dass es Verdrängungseffekte geben könnte. Nicht berücksichtige Studienplatzbewerber würden in die duale Berufsausbildung gehen und dort Bewerber mit schlechterer Schulbildung übertrumpfen.

Im Grundsatz sind sich Bund und Länder einig, die Kosten für die zusätzlichen Studienanfänger über den gemeinsamen Hochschulpakt zu finanzieren, der ohnehin eine Steigerung der Studienangebote vorsieht. Hier könnten eventuell Mittel vorgezogen werden, heißt es in der Koalition. Bei einem Finanzierungsbedarf von 26 000 Euro pro zusätzlichem Studienanfänger könnte das durch die Aussetzung der Wehrpflicht benötigte Gesamtvolumen bis 2018 zwischen 0,9 und 1,5 Milliarden Euro liegen.

In der Berliner Koalition tritt man zunächst auf die Bremse. Der bildungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Albert Rupprecht (CSU), verwies gegenüber der SZ darauf, dass der Bund im Rahmen des Hochschulpakts allein bis 2015 knapp 2,8 Milliarden Euro für 275 000 zusätzliche Studienplätze beisteuere, obwohl Bildung Ländersache sei. "Durch die Aussetzung der Wehrpflicht darf es natürlich nicht passieren, dass Studenten vor verschlossenen Universitäten stehen", meinte Rupprecht. Es dürfe aber auch nicht sein, dass Länder ihre Finanzierung reduzierten und durch Bundesmittel ersetzten. Seine FDP-Fachkollegin Sylvia Canel riet derweil, erst einmal die zahlreichen freien Studienkapazitäten in Ostdeutschland auszuschöpfen, bevor die Länder nach mehr Geld riefen.

"Ein ganzer Jahrgang wird

um seine Chancen gebracht."

Martin Stadelmeier (SPD)

Hintergrund

Abschied von Wehrpflicht und Zivildienst: Das Kabinett hat am Mittwoch parallel zur Aussetzung der Wehrpflicht auch die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes beschlossen. Der neue Freiwilligendienst soll ab dem 1. Juli 2011 für alle Altersgruppen und für Frauen offenstehen. Für rund 35 000 Männer und Frauen will der Bund die Möglichkeit zum gemeinnützigen Einsatz bieten. Der Zivildienst könne damit nicht vollständig ersetzt werden, sagte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) im ZDF-Morgenmagazin. "Wir werden die Lücke nicht komplett schließen können." epd

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