Amris Flucht befeuert Kritik an Merkel

Paris · Wie konnte der europaweit gesuchte Berliner Attentäter unbehelligt durch Frankreich reisen? Mitten im französischen Wahlkampf heizt der Fall die Debatte über den Anti-Terror-Kampf an und weckt Groll auf Deutschland.

Videoaufnahmen vom Bahnhof Lyon Part-Dieu brachten die Bestätigung: Der mutmaßliche Berliner Attentäter Anis Amri ist auf seiner Flucht unbehelligt durch Frankreich gereist. Ein Land im Ausnahmezustand, dessen Regierung nach den schweren Terroranschlägen der vergangenen zwei Jahre regelmäßig die Wachsamkeit der Sicherheitsbehörden beschwört.

Wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich hat der Fall die Debatte um den Weg im Anti-Terror-Kampf neu angefacht. Zugleich fühlen Gegner der deutschen Flüchtlingspolitik sich bestärkt und werfen Kanzlerin Angela Merkel einen "historischen Fehler" vor.

Thierry Solère, Sprecher des konservativen Präsidentschaftskandidaten François Fillon , fordert Antworten vom Pariser Innenministerium. "Wie kann es sein, dass ein von der Polizei in ganz Europa gesuchter Terrorist Frankreich im Ausnahmezustand mit Waffen betreten, sich in einem der größten Bahnhöfe Frankreichs aufhalten (...) und das Staatsgebiet wieder verlassen kann, ohne dass unser Überwachungssystem ihn erfasst?", fragte er. Für den rechtsextremen Front National ist Amris Reiseweg sowieso ein gefundenes Fressen. Aus Sicht von Parteichefin Marine Le Pen liegt das Problem beim Schengener Abkommen, das innerhalb Europas die Grenzkontrollen weitgehend abgeschafft hat. "Diese Eskapade über mindestens zwei oder drei Länder ist symptomatisch für das totale Sicherheitsdebakel, das der Schengen-Raum darstellt", so Le Pen. Der Anschlag von Berlin hat in Frankreich aber auch altbekannten Groll auf die deutsche Flüchtlingspolitik geweckt, nicht nur ganz rechtsaußen. "Das "Willkommen" von Frau Merkel war ein historischer Fehler", twitterte Guillaume Larrivé, ein Sprecher der Republikaner, wenige Stunden nach dem Berliner Anschlag. "Ihre absurde Migrationspolitik ohne jegliche Kontrolle ist eine Tragödie."

Auch Ex-Premierminister Manuel Valls, Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur der Sozialisten, erinnerte schnell an seine Kritik an Merkels Politik. "Wir haben nicht entschieden, unsere Grenzen zu öffnen", sagte Valls. "Aber ich will nicht diese Verwechslung machen zwischen Flüchtlingen und Terroristen, die in der Tat vom Flüchtlingsdrama profitiert haben, um nach Europa einzusickern", sagte er. Viel davon ist auch als Wahlkampfgetöse einzustufen. Das zeigt einmal mehr, wie brisant das Thema nach den verheerenden Anschlägen von Paris und Nizza in Frankreich ist - es dürfte die Debatte vor der Präsidentschaftswahl im April und Mai mit prägen.

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