Amnestie für die Waldzerstörer?

Brasília. Der Streit wird erbittert geführt. Seit Jahren. Es geht um Brasiliens Regenwald, um Klimaschutz und Glaubwürdigkeit und natürlich um Geld. Das neue Waldgesetz - der "Código Florestal" - soll geändert und gelockert werden. Der Senat, das Oberhaus im Kongress, stimmte jetzt zu, und ein "Ja" im Abgeordnetenhaus gilt als wahrscheinlich

 Der Regenwald muss Agrarflächen weichen. Foto: Sayao/dpa

Der Regenwald muss Agrarflächen weichen. Foto: Sayao/dpa

Brasília. Der Streit wird erbittert geführt. Seit Jahren. Es geht um Brasiliens Regenwald, um Klimaschutz und Glaubwürdigkeit und natürlich um Geld. Das neue Waldgesetz - der "Código Florestal" - soll geändert und gelockert werden. Der Senat, das Oberhaus im Kongress, stimmte jetzt zu, und ein "Ja" im Abgeordnetenhaus gilt als wahrscheinlich. Dann richten sich alle Augen auf Präsidentin Dilma Rousseff, die das letzte Wort hat."Dilma, schalte die Motorsäge ab", forderten Umweltschützer von Greenpeace diese Woche unmissverständlich und postierten eine riesige aufblasbare Motorsäge vor dem futuristischen Kongressgebäude in Brasília. Die Botschaft war als Erinnerung gedacht, denn Rousseff versprach 2010 im Wahlkampf, sie werde keinem Gesetz zustimmen, das die Regenwaldabholzung forciere oder eine Amnestie-Regelung für illegale Rodungen enthalte.

Nun lässt sich darüber streiten, ab wann eine Amnestie auch Amnestie genannt werden kann, doch gewährt der bisherige Text Straffreiheit für Landwirte, die bis 22. Juli 2008 illegal abgeholzt und gesetzlich vorgeschriebene Mindestschutzzonen missachtet haben. Große Agrarbetriebe gehen aber nur dann straffrei aus, wenn sie die gerodeten Flächen wieder aufforsten. Kleine Betriebe bis zu 400 Hektar Fläche können selbst davon befreit werden.

Der oft als vorbildlich eingestufte "Código Florestal" geht auf das Jahr 1934 zurück und wurde 1965 überarbeitet. Er regelt in Brasilien das schwierige Verhältnis zwischen berechtigten Interessen der Landwirte und denen des Umweltschutzes. Unter anderem werden Schutzräume festgeschrieben. Im Amazonas-Gebiet etwa dürfen Landwirte nur 20 Prozent ihres Besitzes nutzen. 80 Prozent müssen naturbelassen bleiben, Ackerbau und Rinderhaltung sind dort tabu.

Allerdings hielt sich kaum ein Landwirt an diese und ähnliche Vorgaben. 90 Prozent der Agrarbetriebe holzten über das erlaubte Maß Flächen ab, um Land urbar zu machen. Die Quoten sollen nun zwar bleiben, aber etwas gelockert werden. Wenn etwa in einem Bundesland über 65 Prozent der Fläche Naturschutzgebiete und/oder Indio-Reservate sind, kann die Schutzquote nach Genehmigung auf 50 Prozent gesenkt werden.

All dies ließ Umweltschützer auch bei der UN-Klimakonferenz in Durban Sturm laufen. Sie sprachen von einer Schande und warnten vor Kahlschlag und fatalen Folgen für den Klimaschutz. "Bald wird der Código Florestal, die fortschrittlichste Umweltgesetzgebung der Welt, ein Instrument der Landwirte sein, um die Motorsäge anzuwerfen", fürchtet Greenpeace. Die Agrarwirtschaft hält die Lockerung hingegen für notwendig, um die Produktion von Lebensmitteln zu steigern.

Bis zum In-Kraft-Treten muss der Código aber noch Hürden nehmen. Das Abgeordnetenhaus hatte die Novelle zwar im Mai grundsätzlich schon gebilligt, muss aber nun nach den Änderungen im Senat nochmals entscheiden. Und dann müsste auch Präsidentin Rousseff zustimmen, was aber keineswegs sicher ist. Sie fand bereits im Mai klare Worte, als sie die Zustimmung des Unterhauses als "Schande für Brasilien" bezeichnen ließ.

Die Staatschefin weiß, Brasilien steht beim Klimaschutz im Wort. Das Land will seine CO2-Emissionen drastisch senken und dazu die Abholzung bis 2020 um 80 Prozent verringern. Rousseff will sich keinen Wortbruch vorwerfen lassen. Schon gar nicht im Vorfeld der großen UN-Umweltkonferenz "Rio+20", die 2012 - 20 Jahre nach dem ersten wegweisenden "Erdgipfel" - wieder in Rio de Janeiro stattfindet.

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