Amerika richtet über den unbeliebten Präsidenten

Washington · Obamas Demokraten haben einen schweren Stand, die Republikaner scheinen drauf und dran, ihnen die Senats-Mehrheit abzunehmen. Ein Wechsel wäre die Regel, Bürger haben Halbzeitwahlen schon immer zum Frustabbau benutzt.

Er ist zurück auf der Wahlkampfbühne, der Präsident, der sich wie kaum ein Zweiter aufs Wahlkämpfen versteht. Barack Obama beugt sich dicht übers Pult, er presst seine Lippen förmlich ans Mikrofon und legt etwas Raues in seine Stimme, was seinen Sätzen Dringlichkeit verleihen soll.

"Wenn ihr nur zu Hause sitzt und jammert, ändert ihr natürlich nichts", ruft er in die Turnhalle der North Division High School in Milwaukee. "Die Leute von der anderen Seite, die bauen darauf, dass ihr nicht wählen geht. Ich bitte euch, belehrt sie eines Besseren." Lethargie habe nie einen Menschen auf den Mond gebracht, nie einen Krieg beendet, nie eine Krankheit geheilt, nie Unternehmen gegründet. "Schnappt euch euren bequemen Cousin, der auf der Couch sitzt und endlose Wiederholungen der Footballspiele der Green Bay Packers guckt, und nehmt ihn mit ins Wahllokal." Die Jüngeren unter seinen Anhängern, weiß der Redner, neigen dazu, eine Kongresswahl zu ignorieren, so sehr sie sich für ein Präsidentschaftsvotum interessieren.

Der Name Obama steht auf keinem Stimmzettel, es geht um 435 Sitze im Repräsentantenhaus , 36 Senatoren und 36 Gouverneursposten, um nur die wichtigsten Ämter zu nennen. Doch wie die Bürger ihren Präsidenten beurteilen, beeinflusst ihre Entscheidung mehr als alles andere. Obamas Zustimmungsrate ist auf 40 Prozent gefallen, nur knapp über den Werten, die George W. Bush nach sechs Amtsjahren und über drei Jahren Irakkrieg aufzuweisen hatte. Seine Demokraten reißt es mit in den Strudel.

Nur, bei Midterm Elections, Halbzeitwahlen, sei der Staatschef fast immer eine Bürde für seine Partei, doziert Thomas E. Mann, Politikprofessor der Brookings Institution , und ordnet die Momentaufnahme in den historischen Kontext ein. "Nach alter Gewohnheit nutzen Amerikaner die Midterms als Referendum. Und in aller Regel haben sie mehr zu beklagen, als dass sie etwas gut finden." Dass die Partei des Präsidenten Federn lässt, ist also die Regel. Es gibt nur wenige Ausnahmen, die sie bestätigen. 1998 - die Wirtschaft boomte - konnten die Demokraten Bill Clintons zulegen. Vier Jahre darauf ließ die patriotische Welle, die dem Terrorschock des 11. September 2001 folgte, die Republikaner George W. Bushs profitieren.

Diesmal vereinen sich Politikverdruss und eine latente Verunsicherung angesichts einer Welt, die aus den Fugen geraten zu scheint, zu einer Stimmungslage, die ein Protestvotum erwarten lässt. Zum einen verzweifeln die Wähler an einem Kongress, in dem sich Demokraten und Republikaner praktisch auf nichts mehr einigen können. Zum anderen die Krisen des Planeten, von der Ukraine über den Vormarsch des "Islamischen Staats" bis hin zu Ebola, das vage Gefühl, dass ihrer Regierung die Kontrolle entgleitet.

Die Regierung, das ist Obama. Ergo werden die Demokraten bestraft, obwohl die Republikaner kaum populärer sind, obwohl sich die Wirtschaft erholt hat vom Crash der Finanzkrise. Zwei Drittel der Amerikaner beantworten die Frage, ob ihr Land den richtigen Weg geht, mit einem Nein. Darin liegt die Chance der Opposition, und als die wird die "Grand Old Party" (GOP) nun mal wahrgenommen, auch wenn sie das Repräsentantenhaus fest im Griff hat.

Dass die Republikaner ihre Majorität in der Abgeordnetenkammer behaupten, daran zweifelt niemand. Spannender ist das Duell um den Senat , wo alle zwei Jahre über ein Drittel der 100 Mandate abgestimmt wird, zuzüglich der Sitze, die frei werden, wenn ein Volksvertreter in den Ruhestand geht. Diesmal steht jenes Drittel zur Wahl, das zum letzten Mal 2008 vergeben wurde, in einem Ausnahmejahr, in dem die Obama-Euphorie demokratische Kandidaten selbst in Bundesstaten triumphieren ließ, in denen normalerweise die Konservativen den Ton angeben. Alaska, Louisiana und North Carolina gehören dazu. Auch Arkansas, Colorado, Iowa und New Hampshire, wo es oft auf der Kippe steht, könnten an die Republikaner fallen. In Montana, South Dakota und West Virginia, wo altgediente Veteranen ausscheiden, prophezeien die Meinungsforscher der GOP klare Siege. Gewinnt sie in der Bilanz sechs Sitze dazu, hat sie die Senatsmehrheit erobert.

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