Amerika geht in die Offensive

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Nirgendwo in Afghanistan haben die Taliban mehr Macht als in Helmand, und nirgendwo auf der Welt werden mehr Drogen angebaut als in der südlichen Provinz - mit dem Rauschgifthandel füllen die Aufständischen ihre Kriegskasse. Gestern strömten tausende amerikanische Soldaten in die Taliban-Hochburg, um die Gegend am Helmand-Fluss unter Kontrolle der Kabuler Regierung zu bringen. In der südostafghanischen Provinz Paktika nahmen die Taliban einen US-Soldaten gefangen. Die "Washington Post" sprach von der größten Offensive amerikanischer Marine-Infanteristen seit der im irakischen Falludscha 2004. Zugleich ist es die erste größere Operation seit dem Amtsantritt von Barack Obama. Der US-Präsident hofft, mit seiner neuen Afghanistan-Strategie das Ruder am Hindukusch herumzureißen. Nach der Siegeszuversicht des damaligen US-Präsidenten George W. Bush hat die Regierung Obama den Ernst der Lage in Afghanistan erkannt. Im vergangenen Monat kamen in New York US-Sicherheitsexperten zusammen, die führend mit Obamas neuer Strategie befasst sind. In einem internen Gesprächsvermerk aus dem Treffen stand, zwar verlören die USA den Kampf nicht, sie würden ihn derzeit aber auch "sicherlich nicht gewinnen". Das Zeitfenster schließe sich. Erfolge müssten in den nächsten eineinhalb Jahren sichtbar werden. "Danach (. . .) werden die Regierungen und Bürger der derzeitigen internationalen Koalition alle zu dem Schluss kommen, dass die Angelegenheit hoffnungslos ist, und für einen Rückzug werben." In diesem Fall, so heißt es in dem Vermerk weiter, wäre die einzige Handlungsoption ein begrenztes US-Programm mit Anti-Terror-Operationen, um die Kabuler Zentralregierung noch an der Macht zu halten. Es gäbe aber "keine realistische Hoffnung", dass ein solches Programm zu jenen fundamentalen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Änderungen führen würde, die das Ziel der Amerikaner in Afghanistan seien. Noch düsterer sei die Lage im benachbarten Pakistan, wo die Möglichkeit "eines totalen Zusammenbruchs hin zu einem nuklear bewaffneten Dschihadisten-/Terroristenstaat" nicht ausgeschlossen werden könne. In Afghanistan hoffe man, dass der Einsatz der 21 000 US-Soldaten, mit denen die Truppen am Hindukusch verstärkt werden, zu einer Verbesserung der Lage führe. Die Operation "Khanjar" (Krummdolch) ist der erste Testfall für Washingtons neue Strategie. Kernpunkte der geänderten Herangehensweise sind nicht nur Truppenverstärkungen, sondern vor allem ein stärkerer ziviler Wiederaufbau, den Soldaten absichern sollen. Zugleich wird die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte intensiviert. Sie sollen sobald wie möglich jene Aufgaben übernehmen, die im achten Jahr nach dem Sturz der Taliban immer noch vorrangig von ausländischen Soldaten erledigt werden. Wie sehr die einheimischen Truppen weiter auf die Hilfe der internationalen Streitkräfte angewiesen sind, zeigt das Kräfteverhältnis bei der Operation in Helmand: 650 afghanische Sicherheitskräfte stehen an der Seite von knapp 4000 US-Marines. Dass die Truppenverstärkungen zunächst zu einer Eskalation der Gewalt führen werden, bevor sie möglicherweise zu einer Stabilisierung oder gar zur Entspannung der Lage beitragen, auch daran gibt es kaum Zweifel.

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