Am Ende scharen sich alle um Merkel

Brüssel. Der Durchbruch im Griechenland-Poker ist geschafft. Die gute Nachricht lautet: Das Thema spielt beim heute beginnenden EU-Gipfel in Brüssel keine Rolle. Und: Ein Sondertreffen der Euro-Zone wird es - Stand gestern Abend - auch nicht geben

 Die Kanzlerin ist gegen schnelle Griechenland-Hilfen. Foto: dpa

Die Kanzlerin ist gegen schnelle Griechenland-Hilfen. Foto: dpa

Brüssel. Der Durchbruch im Griechenland-Poker ist geschafft. Die gute Nachricht lautet: Das Thema spielt beim heute beginnenden EU-Gipfel in Brüssel keine Rolle. Und: Ein Sondertreffen der Euro-Zone wird es - Stand gestern Abend - auch nicht geben. Hinter der Langeweile dieser Nachricht steckt ein beispielloses politisches Signal: "Es gibt nichts zu entscheiden, weil alles (beim Sondergipfel im Februar, d. Red.) längst entschieden ist." So zumindest formulieren es die Vertrauten der Kanzlerin, die gestern in Berlin und Brüssel vorgeschickt wurden. Deren Botschaft an die, die mit einer griechischen Krise an den Märkten spekulieren: Wir lassen uns weder in einen unüberlegten Vertragsbruch noch in rechtlich wackelige Hilfszusagen treiben.

Der Frontenverlauf ist kompliziert. "Niemand versteht die starre deutsche Position", sagt der SPD-Europa-Abgeordnete und Haushaltsexperte Udo Bullmann in Brüssel. "Merkel hält sich richtigerweise an die Verträge", entgegnet der Chef der CDU-Abgeordneten im Europa-Parlament, Werner Langen. Irgendwie haben beide Recht. Doch hinter den Kulissen bewegt sich viel. In der Nacht zum Mittwoch ist Frankreich auf Merkels Linie eingeschwenkt: kein Geld für Athen, Hilfen gibt es beim Internationalen Währungsfonds (IWF), aber nur im Notfall, falls tatsächlich ein Staatsbankrott droht. Dass der Euro im Laufe des Tages "durchsackt", bestreiten die Kanzler-Vertrauten in Brüssel: "Die Gemeinschaftswährung liegt jetzt bei 1,33 Dollar und ist damit überzeichnet. Die Europäische Zentralbank geht davon aus, dass ein Gleichgewicht bei 1,20 erreicht ist", sagt der Chef der Europa-Parlamentarier der CSU, Markus Ferber. "Der Euro ist weit von einer Gefahr entfernt."

Noch vor ein paar Tagen wollte von einer Beteiligung des IWF am Hellenen-Poker niemand etwas wissen. Damit entlarve sich die Euro-Zone als unfähig, ihre Probleme selbst zu lösen, hieß es. Andere hatten wohl auch Angst, dass die USA auf dem Umweg über den IWF in Euro-Land mitregieren könnte. Nun ist alles anders: Nicht nur Paris hat seinen Widerstand gegen einen Griff in den mit 500 Milliarden Euro ausgestatteten IWF-Fonds aufgegeben. Da die Gelder aus dem großen, internationalen Topf auf der Grundlage der Beiträge eines Landes aus besseren Zeiten berechnet werden, könnte Griechenland bis zu zehn Milliarden Euro an Darlehen bekommen. "Dies ist der einzige Weg, den der Artikel 123 des Lissabonner Vertrages zulässt", sagt Langen. Das sehen wohl auch andere Regierungen so: Gestern begann die Front gegen Merkel zu zerbröseln. "Madame Non", wie die Kanzlerin in den letzten Tagen wegen ihres strikten Neins genannt wurde, mutiert zur mutigen Hüterin der europäischen Verträge.

Am Tag vor dem Gipfel zeichnet sich also ab: Die EU wird keinen aufgeregten Schnellschuss wagen. Griechenland kann die Hilfe des IWF in Anspruch nehmen und bekommt Unterstützung der EU-Partner, wenn es alleine nicht mehr weiter weiß. Merkel steckt außerdem ihre Drohung, hartnäckige Haushaltssünder aus der Euro-Zone auszuschließen, wieder weg. Im Gegenzug bekommt sie Verhandlungen über einen schärferen Euro-Pakt, so dass finanziell undisziplinierte Regierungen endlich sanktioniert werden können.

Meinung

Der einzig richtige Weg

Von SZ-Korrespondent

Detlef Drewes

Allen Euro-Untergangsszenarien zum Trotz schwenkt die EU jetzt offenbar auf den einzig richtigen Weg ein: Griechenland hilft man nicht mit milliardenschweren Hilfspaketen, sondern mit klaren Signalen an die Finanzspekulanten. Und die müssen lauten: Athen schafft die notwendigen Reformen. Im Ernstfall stehen der Internationale Währungsfonds und die Union bereit. Der Streit um das sture "Nein" der Kanzlerin war von vorneherein unsinnig. Schließlich hatte man sich schon vor einem Monat auf genau diesen Kurs verständigt. Und es gibt keinen Grund, davon abzuweichen. Auch dann nicht, wenn Banken und Finanzexperten frisches Geld fordern, auf das sie dann wieder setzen können.

Die Ruhe, die rechtzeitig vor dem EU-Gipfel einzukehren scheint, ist nötig. Aufgeregte Hektik würde den Ernstfall suggerieren, der keineswegs vorliegt. Der Euro ist nicht im "freien Fall" und Athen steht nicht vor dem "Bankrott", um zwei gängige Stichworte aufzugreifen, die gerne von jenen benutzt werden, die ein großes Interesse daran haben, aus der Krise noch mehr Kapital zu schlagen.

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