Trauer in Spanien Als Barcelonas pulsierendes Herz stockte

Barcelona · Am Tag nach dem Doppelanschlag in Barcelona und Cambrils steht Spanien unter Schock. Offenbar war ein noch größerer Anschlag geplant.

Trauer in Spanien: Als Barcelonas pulsierendes Herz stockte
Foto: SZ/Bernhard Baltes

(SZ/dpa) Plaça de Catalunya, 12 Uhr mittags, es ist der Tag nach dem Terror. Tausende Menschen, die meisten in schwarzer Trauerkleidung, versammeln sich auf dem beliebten Platz mitten in Barcelona. Dann kehrt Stille ein. Ein tief bewegter König Felipe schließt die Augen, eine Minute lang schweigt das sonst pulsierende Herz der katalanischen Metropole. Dann aber kommt das wahre Wesen der weltoffenen, fröhlichen Stadt wieder an die Oberfläche: Minutenlang applaudieren die Bürger frenetisch im Gedenken an die Opfer. Ein Chor auf Katalanisch brandet auf: „No temim por“ – Wir haben keine Angst! Die Bürger zeigen: Sie wollen sich vom islamistischen Terror nicht unterkriegen lassen.

Die Terrorspur von Barcelona führt in den kleinen nordspanischen Küstenort Alcanar in der Provinz Tarragona. Dort, 200 Kilometer südwestlich der katalanischen Mittelmeer-Metropole, flog einen Tag vor der mörderischen Horrorfahrt durch Barcelona die mutmaßliche Bombenwerkstatt der islamistischen Terroristen in die Luft. Dies verhinderte offenbar, dass das Terrorkommando einen mächtigen rollenden Sprengsatz in Spaniens Tourismus-Hochburg Barcelona zünden konnte. Deswegen, so vermutet die Polizei, schritten sie zu einem heimtückischen Plan B. Und der sah so aus: Einen Tag später, am Donnerstagnachmittag, raste einer der Terroristen mit einem Lieferwagen in die berühmte Rambla Barcelonas, auf der sich zu diesem Zeitpunkt tausende Menschen befanden, darunter viele ausländische Touristen. Wohl wissend, dass die Rambla nicht nur die bekannteste Flaniermeile der Stadt, sondern des ganzen spanischen Königreichs ist. Unter den Opfern sind Touristen aus insgesamt 20 Nationen: Den vorläufigen Angaben zufolge sollen sich wenigstens drei Deutsche, zwei Italiener und ein Belgier unter den Toten befinden. Zudem wurden mindestens 14 Deutsche und mehr als 20 Franzosen verletzt, zudem Urlauber aus etlichen anderen Staaten.

Zwischen den Trümmern jenes Wohnhauses, das am Mittwoch­abend um 23.17 Uhr in Alcanar in die Luft flog, fand die Polizei mindestens 20 Butangasflaschen. Zunächst dachten die Ermittler an einen Gasunfall. Nach dem Einsturz des Hauses wurde zwischen den Trümmern eine Leiche gefunden, es könnte sich um die sterblichen Überreste eines der Bombenbauer handeln. Ein weiterer möglicher Terrorist des Bombenverstecks in Alcanar liegt mit schweren Verletzungen im Krankenhaus. Gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen.

Von Barcelona führte die Blut­spur noch in der Nacht zum Freitag weiter zum Ferienort Cambrils, der 130 Kilometer südwestlich Barcelonas liegt. Dort wollte ein fünfköpfiges Terrorkommando ein weiteres Massaker begehen. Alle fünf Terroristen, die Sprengstoffgürtel-Attrappen trugen, wurden durch Polizeischüsse niedergestreckt. In Cambrils fiel eine Frau dem Terror zum Opfer, sechs weitere Menschen wurden verletzt.

Der mutmaßliche Attentäter von Barcelona, der zunächst entkommen war, wurde nach Erkenntnissen der katalanischen Polizei von Freitag womöglich bei dem Einsatz in Cambrils getötet. „Die Untersuchung geht in diese Richtung, es gibt mehrere Indizien, aber wir haben keinen konkreten Beweis“, sagte ein Polizeisprecher am Freitag. Drei der fünf mutmaßlichen Attentäter, die bei dem Einsatz in Cambrils erschossen wurden, seien inzwischen identifiziert. Bei dem 17-jährigen Hauptverdächtigen, dem Marokkaner Moussa Oukabir, handelt es sich um den jüngeren Bruder von Driss Oukabir, der Stunden nach dem Attentat von Barcelona im nordspanischen Ort Ripoll zusammen mit einem weiteren Verdächtigen festgenommen wurde. Die Papiere von Driss Oukabir wurden im Terrorfahrzeug gefunden. Als dieser am Donnerstagabend sein eigenes Fahndungsfoto im Fernsehen sah, stellte er sich der Polizei. Seiner Aussage zufolge wurden seine Papiere von seinem Bruder gestohlen und dann benutzt, um unter anderem Namen zwei Lieferwagen zu mieten. Dabei handelt es sich um das Terrorfahrzeug von Barcelona und um einen zweiten Wagen, der in der 70 Kilometer entfernten Stadt Vic sichergestellt wurde.

Auf der Flucht durch Barcelona kaperte Moussa Oukabir möglicherweise am Donnerstagabend ein Fahrzeug und erstach den Fahrer. Mit Sicherheit weiß man nur, dass ein Wagen am Stadtrand eine Polizeisperre durchbrach, wo es zu einer Schießerei kam. Als die Polizei das Fahrzeug inspizierte, fand sie die Leiche des Autobesitzers – aber auf dem Beifahrersitz und mit Stichwunden. Deswegen schließt die Polizei nicht aus, dass Moussa Oukabir diesen Fluchtwagen lenkte und sich nach dem Durchbrechen der Polizeisperre noch unbemerkt absetzen konnte.

Das nordspanische Katalonien ist auch schon länger ein Brennpunkt des islamistischen Fundamentalismus. Seit Jahresbeginn und vor der jüngsten Anschlagsserie wurden in Katalonien, wo 7,5 Millionen Menschen leben, 14 Terrorverdächtige festgenommen.

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