"Alle Menschen sind frei und gleich geboren"Für Freiheit und Gleichheit Experte: Seit den Terror-Angriffen 2001 mehr Verletzungen der Menschenrechte

Nürnberg. Als Folge der Terror-Angriffe in den vergangenen Jahren haben Menschenrechtsverletzungen einem Experten zufolge in vielen Ländern der Welt zugenommen. "Das absolute Folterverbot ist seit dem 11. September 2001 in einer ganzen Reihe von Staaten infrage gestellt worden", sagte der Leiter des Nürnberger Menschenrechtsbüros, Hans Hesselmann

Nürnberg. Als Folge der Terror-Angriffe in den vergangenen Jahren haben Menschenrechtsverletzungen einem Experten zufolge in vielen Ländern der Welt zugenommen. "Das absolute Folterverbot ist seit dem 11. September 2001 in einer ganzen Reihe von Staaten infrage gestellt worden", sagte der Leiter des Nürnberger Menschenrechtsbüros, Hans Hesselmann. "Auf der einen Seite wird in den letzten Jahren das Wort Menschenrechte häufiger in den Mund genommen, auf der anderen Seite sind in vielen Staaten - auch der EU - Menschenrechte durch Anti-Terror-Gesetze eingeschränkt worden in dem Glauben, dadurch mehr Sicherheit schaffen zu können."Negativbeispiel BKA-Gesetz Als Beispiel nannte der Chef der bundesweit einzigen kommunalen Einrichtung für Menschenrechtsaktivitäten das geplante BKA-Gesetz, das Online-Durchsuchungen privater Computer vorsehe. Dies sei jedoch nicht die einzige Verletzung grundlegender Rechte in Deutschland: "Rassismus und Diskriminierung nehmen zu, etwa auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt." Hesselmann erläuterte: "Der wesentliche Kern der Menschenrechte ist das Prinzip der Nichtdiskriminierung. Menschenrechte sind Rechte, die jeder Mensch allein aufgrund seines Menschseins hat. Sie sind unveräußerlich und sie sind darauf ausgerichtet, die Würde eines Menschen zu schützen", sagte der 64-Jährige. 60 Jahre nach der Verständigung auf den verbindlichen Katalog der Menschenrechte wird laut Hesselmann am häufigsten das Recht auf Meinungsfreiheit verletzt. dpaHamburg. Der Tag der Menschenrechte ist der Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Am 10. Dezember 1948 wurde die Erklärung von der Vollversammlung der Vereinten Nationen angenommen. "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren", lautet die zentrale Aussage. Menschenrechte sind unter anderem das Recht auf Leben, Freiheit, soziale Sicherheit, persönliches Eigentum, freie Meinungsäußerung, Religionsausübung und politische Betätigung. "Jedermann soll alle Rechte und Freiheiten ohne Rücksicht auf Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politische oder andere Überzeugung ausüben dürfen", heißt es. Angesichts der Verbrechen des Hitler-Regimes und anderer totalitärer Systeme war bereits in der UN-Charta von 1945 die Notwendigkeit eines besseren Schutzes der Menschenrechte angesprochen, aber nicht konkretisiert worden. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte holte dies drei Jahre später nach. Sie war zwar nur eine Empfehlung, gab aber Anstöße zu den Menschenrechts-Pakten von 1966, die völkerrechtlich verpflichtend sind. dpaNew York. Am 10. Dezember 1948 trat Eleanor Roosevelt vor den Vereinten Nationen ans Rednerpult. "Ich lese Ihnen jetzt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vor", sagte sie schlicht. Doch was die Witwe des ehemaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt so einfach ankündigte, war in Wirklichkeit eine Revolution: Erstmals hatten sich die Staaten der Welt auf einen umfassenden Katalog von Menschenrechten verständigt, der über alle Grenzen und Kulturen hinweg gelten sollte. Am Mittwoch feiert die Erklärung ihren 60. Geburtstag. "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren", heißt es in dem 30 Artikel umfassenden Dokument. "Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person." 48 der damals 56 UN-Mitgliedsstaaten stimmten im Pariser Palais de Chaillot für das in zweijähriger Kleinarbeit ausgehandelte Papier. Acht Länder - darunter die Sowjetunion, Saudi-Arabien und Südafrika - enthielten sich.Nach den barbarischen Erfahrungen von zwei Weltkriegen, Naziterror und Holocaust wollte die Weltgemeinschaft einen Wertekodex festlegen, der die Menschenrechte unter den Schutz der Allgemeinheit stellt. Obwohl die Erklärung rechtlich nicht verbindlich ist, gilt sie als unverbrüchliche Grundlage des Völkerrechts. Mit Übersetzungen in mehr als 360 verschiedene Sprachen ist sie laut UN der meistübersetzte Text der Welt. "Die Erklärung ist ein Meilenstein. Sie spielt eine absolute Schlüsselrolle beim Schutz von Menschenrechten", sagte UN-Anwaltsdirektor Steven Crawshaw von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in New York. "Es hat seither eine Reihe von wichtigen Veränderungen gegeben, die es Menschenrechtsverbrechern schwerer machen, mit ihren Taten ungeschoren davonzukommen." Als wichtige Signale nannte er das Völkermordverfahren gegen den 2006 gestorbenen jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic, die Festnahme des früheren bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic und den beantragten Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir. Gleichwohl sehen die Menschenrechtsorganisationen noch erheblichen Nachholbedarf. Im Kongo sind derzeit 250000 Menschen durch eine neue Welle von Gewalt heimatlos. In Darfur haben die jahrelangen Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen 300000 Menschen das Leben gekostet, Millionen sind auf der Flucht. Und in diktatorischen Regimen wie Birma oder Nordkorea werden den Bürgern die einfachsten Rechte versagt. "Die Erklärung der Menschenrechte bleibt auch 60 Jahre später für viele Menschen ein uneingelöstes Versprechen", sagt die Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, Barbara Lochbihler. Allein im vergangenen Jahr dokumentierte die Organisation in 81 Staaten Fälle von Folter oder entwürdigender Behandlung. Weltweit wurden mindestens 1252 Menschen hingerichtet, mit Abstand die meisten im Olympia-Gastgeberland China. In 45 Ländern saßen Bürger allein aus politischen Gründen in Haft. Die Diskriminierung von Frauen, Behinderten und Andersdenkenden ist vielerorts noch eine Selbstverständlichkeit - nicht zu reden von den Millionen und Abermillionen, die aus Not und Armut in menschenunwürdigen Umständen leben müssen. Die UN will deshalb den 60. Geburtstag der "Magna Charta" nicht nur feiern, sondern hat zum Jahr der Menschenrechte aufgerufen. "Wir müssen sicherstellen, dass diese Rechte zu gelebtem Alltag werden - dass jeder sie kennt, versteht und gewährt bekommt, überall auf der Welt", sagt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete den weltweiten Einsatz für Menschenrechte als ein "Fundament deutscher Außenpolitik". Der Jahrestag sei "eine Verpflichtung für die Zukunft". Bei der Einhaltung der Menschenrechte gehe es "auch oft um die Frage, ob Ernährung zur Verfügung steht, ob genug Wasser da ist oder ob Seuchen bekämpft werden können". "Wir müssen sicherstellen, dass diese Rechte zu gelebtem Alltag werden."UN-Generalsekretär Ban Ki Moon

HintergrundFür ihren gewaltfreien Widerstand sind gestern in Berlin eine israelische und eine palästinensische Initiative mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte ausgezeichnet worden. Die Vereinigung "Anarchisten gegen die Mauer" in Israel und das "Bürgerkomitee des Dorfes Bil'in" in Palästina setzten sich "gemeinsam und gewaltfrei" für eine Zukunft ohne Ausgrenzung, Unterdrückung und Krieg ein, sagte Liga-Präsidentin Fanny-Michaela Reisin gestern bei der Übergabe der Medaillen. epd

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