"Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen"

Berlin. Der Andrang wird heute riesig sein: Thilo Sarrazin, SPD-Mann, einst Finanzsenator der Hauptstadt, jetzt Bundesbankvorstand, wird in Berlin im Haus der Bundespressekonferenz den versammelten Medien erklären, wieso sich Deutschland abschafft. Auszüge aus seinem 464 Seiten starken Buch, vor allem die Passagen über Einwanderer und Migranten, haben im Vorfeld für helle Aufregung gesorgt

Berlin. Der Andrang wird heute riesig sein: Thilo Sarrazin, SPD-Mann, einst Finanzsenator der Hauptstadt, jetzt Bundesbankvorstand, wird in Berlin im Haus der Bundespressekonferenz den versammelten Medien erklären, wieso sich Deutschland abschafft. Auszüge aus seinem 464 Seiten starken Buch, vor allem die Passagen über Einwanderer und Migranten, haben im Vorfeld für helle Aufregung gesorgt. Und einen Tag vor der Präsentation seines Werkes hat der 65-Jährige noch einmal auf der Klaviatur der Provokation gespielt: "Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden", lautete in einem Interview eine neue, krude Erkenntnis. Für viele ist damit die rote Linie überschritten. Eines ist klar: Die Kasse wird klingeln - und wie. Verlag und Autor dürften sich schon jetzt die Hände reiben angesichts der Resonanz, die die Thesen des umstrittenen Genossen hervorgerufen haben. Der Sprung von "Deutschland schafft sich ab" auf die Bestsellerliste ist gesichert, so perfekt wurden die "radikalen Lösungsvorschläge" zur Einwanderungspolitik platziert und vermarktet. Für die SPD ist der Mann eine echte Belastung - aber die Partei verlassen will er nicht, und ein Ausschlussverfahren hat er erst im März überstanden. Ist also tatsächlich alles nur eine große PR-Kampagne für einen alternden Bundesbänker? Nämlich angeblich das zu sagen, was man in Deutschland nicht mehr sagen darf - über Hartz-IV-Empfänger, dämliche Schüler oder über Kopftuch tragende Ausländer? Viele hätten ihn ja am liebsten rechts liegen lassen und mit Missachtung gestraft. Sarrazins Äußerungen über Juden haben aber offenbar das Fass richtig zum Überlaufen gebracht, und nun auch die Bundesregierung hochgradig alarmiert: "Die Äußerungen sind vollkommen inakzeptabel von Herrn Sarrazin", wetterte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). "Die Art und Weise, wie hier geredet wird, das spaltet die Gesellschaft." Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) betonte: "Jede Provokation hat ihre Grenzen" - und die sei von Sarrazin nun überschritten worden. Der Zentralrat der Juden warf dem SPD-Mann sogar vor, sich mit seinen Behauptungen auf die Rassentheorien der Nationalsozialisten zu stützen.Wie schon in seiner Zeit als provokationsfreudiger Berliner SPD-Finanzsenator beharrt Sarrazin bislang auf seiner Meinung und scheint den Aufruhr zu genießen. Er wolle das "große gesellschaftliche Bedürfnis nach ungeschminkter Wahrheit" befriedigen, schreibt er. Ausgerechnet in der großen türkischen Zeitung "Hürriyet" verteidigte Sarrazin seine Thesen. Sein Problem seien nicht Türken oder Muslime, sondern Integrationsunwillige, sagte er in einem am Samstag veröffentlichten Interview. Er wolle nicht, dass in Deutschland auf Dauer nationale Minderheiten und Parallelgesellschaften entstünden. Es sei möglich, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren, ohne die eigene Identität und Nation zu verleugnen, sagte Sarrazin. So sollten Türken in Deutschland nicht nur türkische Fernsehsendungen anschauen, sondern auch den deutschen "Tatort". Was könnten nun aber die Konsequenzen für Sarrazin sein, die Parteien und Verbände lautstark fordern? Außer, dass er seinen Ruf noch weiter ruiniert, gibt es offenbar kaum welche. Um Sarrazin aus seinem mit jährlich etwa 350 000 Euro dotierten und bis 2014 laufenden Vorstandsjob bei der Bundesbank zu entfernen, muss eine schwere Krankheit oder müssen "schwere Verfehlungen" vorliegen. Was das genau heißt, ist aber nicht ausformuliert.Eine Abberufung kann der Vorstand dann beim Bundespräsidenten beantragen. Dieses Szenario gilt jedoch nach wie vor als unwahrscheinlich, denn das Buch sei eine "private Angelegenheit", hat die Bundesbank in den vergangenen Tagen immer wieder betont. "Es gibt ein großes Bedürfnis nach ungeschminkter Wahrheit."Thilo Sarrazin"Die Äußerungensind vollkommen inakzeptabel. (...)Die Art und Weise,wie hier geredet wird, spaltet die Gesellschaft."Bundeskanzlerin Angela Merkel"Jede Provokationhat ihre Grenzen."Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg

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