Albig peilt "Dänen-Ampel" anKompetent - und ein bisschen bieder

Kiel. Unklare Mehrheitsverhältnisse nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein: Die schwarz-gelbe Koalition in Kiel ist abgewählt. Völlig offen war gestern nach den ersten Hochrechnungen aber, wer die neue Regierung und den Ministerpräsidenten stellen wird. Die bisher regierende CDU und die oppositionelle SPD lieferten sich nach den Zahlen von ARD und ZDF ein Kopf-an-Kopf-Rennen

 Der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein, Torsten Albig - hier mit Parteifreunden in der vergangenen Woche bei einer Kundgebung gegen eine geplante NPD-Veranstaltung - kommt in der Öffentlichkeit gut an. Foto: Rehder/dpa

Der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein, Torsten Albig - hier mit Parteifreunden in der vergangenen Woche bei einer Kundgebung gegen eine geplante NPD-Veranstaltung - kommt in der Öffentlichkeit gut an. Foto: Rehder/dpa

Kiel. Unklare Mehrheitsverhältnisse nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein: Die schwarz-gelbe Koalition in Kiel ist abgewählt. Völlig offen war gestern nach den ersten Hochrechnungen aber, wer die neue Regierung und den Ministerpräsidenten stellen wird.Die bisher regierende CDU und die oppositionelle SPD lieferten sich nach den Zahlen von ARD und ZDF ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Eine Woche vor der bundespolitisch noch wichtigeren Wahl in Nordrhein-Westfalen konnte die FDP ihre einjährige Niederlagenserie stoppen und wieder in das Landesparlament einziehen. Dort wird auch die Piratenpartei sitzen, die ihren dritten Erfolg hintereinander einfuhr. Die Grünen wurden drittstärkste Kraft. Die Linke scheiterte deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde.

Der schleswig-holsteinische SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig hatte zuvor klare Ziele formuliert: Er wolle auch bei einer sehr knappen Mehrheit eine Dreierkoalition mit den Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) bilden. Auf die Frage, ob er nach der Landtagswahl notfalls mit einer Stimme Vorsprung im Landtag regieren würde, sagte Albig bei einem TV-Duell mit CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager am Mittwoch im NDR: "Die Kollegen bei Schwarz-Gelb zeigen, dass man das ganz solide machen kann." In dem Fall werde eine Regierung unter SPD-Führung das "sehr professionell organisieren".

Für den Fall, dass die Mehrheitsverhältnisse in Schleswig-Holstein keine andere Lösung zulassen, hatte Albig eine große Koalition mit der CDU nicht ausgeschlossen. "Mir graut vor gar keiner demokratischen Lösung", sagte der Kieler Oberbürgermeister auf die entsprechende Frage. Wenn der Wähler es so entscheide, werde er sich nicht traurig zurückziehen. "Dann wird man sich zusammenzusetzen zu haben", sagte er. Auch de Jager schloss im NDR eine solche Konstellation nicht aus, wollte sich aber nicht konkret zu möglichen Partnern äußern. Die CDU gehe ohne Koalitionsaussage in die Wahl, sagte der 47-Jährige.

Das Amt des Ministerpräsidenten wäre für Albig der vorläufige Höhepunkt einer Karriere auf verschiedensten Bühnen. Der Jurist war Sprecher der Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine, Hans Eichel und Peer Steinbrück, Kämmerer in Kiel, Sprecher der Dresdner Bank. 2009 wurde er Oberbürgermeister an der Förde, nachdem er die CDU-Amtsinhaberin klar bezwungen hatte. 2011 der nächste Triumph: Albig ließ in einem Mitgliederentscheid um die Spitzenkandidatur der SPD dem Landes- und Fraktionschef Ralf Stegner keine Chance. Dass er den Rivalen im Boot behielt, überraschte viele, war aber wohl klug. "Er ist viel stärker Partei als ich", sagt Albig über den starken Mann in der Nord-SPD. Stegner polarisiert, Albig eint.

Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein gab es eine sehr niedrige Wahlbeteiligung. Bis eine halbe Stunde vor Schließung der Wahllokale hatten laut Landeswahlamt nur 55,6 Prozent der rund 2,2 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. afp/dpa

Kiel. Pragmatisch, fleißig, kompetent, ein bisschen bieder - so wurde Jost de Jager oft beschrieben. Der Spitzenkandidat der Nord-CDU sieht sich als Teamplayer mit Macherqualitäten. Der 47 Jahre alte Pastorensohn gilt als blitzgescheit und konfliktfähig. Spitzenkandidat wurde er erst, nachdem sein Vorgänger als CDU-Landesvorsitzender, Christian von Boetticher, im vergangenen Jahr über eine frühere Beziehung zu einer 16-Jährigen gestolpert war.

Wie selbstverständlich, ohne nennenswerten Widerstand in der Partei, übernahm Wirtschaftsminister Jost de Jager die neue Rolle.

Sein Weg nach ganz oben war trotz eines Frühstarts lang: Noch vor dem Ende seiner Journalisten-Ausbildung kam de Jager 1996 in den Landtag. Seine Themen: Europa, Bildung, Hochschulen. 2005 wurde er Staatssekretär im Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium, 2009 Minister. Konsequent verteidigte er 2010 den damaligen Plan der schwarz-gelben Koalition, die Medizinische Fakultät in Lübeck zu schließen, auch gegen massive Proteste.

Im Wahlkampf legte er im Endspurt eine härtere Gangart ein, gegen seinen SPD-Gegner Torsten Albig und gegen eine Koalition aus SPD, Grünen und SSW (Südschleswigscher Wählerverband). De Jager lebt in Eckernförde mit Frau und 16-jähriger Tochter an der Ostsee. Abgesehen von einem Studienaufenthalt in Belfast blieb er immer in Norddeutschland: Abitur in Kronshagen, Wehrdienst bei der Marine, Studium (Geschichte, Englisch, Politik) und Presse-Volontariat in Kiel, dann Landtag und Regierung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Freitagabend beim Wahlkampf-Endspurt der CDU in Schleswig-Holstein noch einmal für den Spitzenkandidaten Jost de Jager geworben. "Er sagt, was er denkt, und er tut, was er sagt. Sie wissen, woran Sie bei ihm sind", sagte Merkel vor mehr als 1700 Zuhörern in Tornesch bei Hamburg. De Jager wolle sich unter anderem für Bildung, Forschung und Investitionen in den Mittelstand einsetzen. Merkels Auftritt war die letzte große Veranstaltung der Nord-CDU vor der Landtagswahl am gestrigen Sonntag. afp/dpa

Foto: Rehder/dpa

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