Afrika wächst rasant – Europa schrumpft rapide

Hannover · Die Menschheit wächst – pro Jahr um rund 82,9 Millionen, allerdings höchst unterschiedlich. Während Europa schrumpft und bis zur Jahrhundertwende 14 Prozent seiner Einwohner verlieren wird, sollen in Afrika dann vier Mal so viele Menschen leben.

Die Weltbevölkerungsuhr in Hannover läuft und läuft. Die zwei auf drei Meter große Uhr, die mittlerweile vor dem Stadion des Fußballvereins Hannover 96 aufgestellt ist, verändert ihre zehnstellige Ziffernfolge schneller als prognostiziert. Denn die Weltbevölkerung wächst stärker, als von Experten erwartet. 2,6 Menschen pro Sekunde, 158 pro Stunde oder 82,9 Millionen pro Jahr kommen hinzu - weit mehr als die Bevölkerung Deutschlands.

Über 7,1 Milliarden Menschen leben derzeit auf dem Planeten Erde, wie die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) gestern anlässlich des Weltbevölkerungstags mitteilte. Bis 2050 werden es voraussichtlich 9,6 Milliarden sein. Das sind 250 Millionen mehr als 2011 angenommen. Für das Jahr 2100 werden fast elf Milliarden Erdbewohner erwartet. Als die UN 1989 erstmals den Weltbevölkerungstag ausriefen, bewohnten rund fünf Milliarden Menschen den Planeten.

Das Bevölkerungswachstum der Zukunft findet laut Prognose der UN fast ausschließlich in Entwicklungs- und Schwellenländern statt. In Afrika werde sich die Bevölkerung von heute 1,1 Milliarden bis 2100 auf 4,2 Milliarden vervierfachen. "Die Bevölkerung wächst in den ärmsten Ländern am schnellsten", sagt Thomas Büttner, früherer Leiter der UN-Bevölkerungsstudien. "In Ländern wie Malawi, Nigeria und Uganda werden bis 2100 rund fünfmal mehr Menschen leben als heute." Ganz anders in Europa: Statt der heute noch 742 Millionen Europäer werden es am Ende des Jahrhunderts 639 Millionen sein - ein Rückgang um 14 Prozent.

Als Gründe für das starke Bevölkerungswachstum nennt DSW-Geschäftsführerin Renate Bähr den unzureichenden Zugang vieler Frauen zu Verhütungsmitteln. "Jedes Jahr werden rund 80 Millionen Frauen in Entwicklungsländern ungewollt schwanger, vor allem weil sie nicht verhüten können." Auch Unionspolitiker sprachen sich gestern für stärkere Investitionen in Familienplanungsprogramme aus.

Ein weiterer Grund für die schnelle Bewegung der Weltbevölkerungsuhr ist nach Angaben der UN die höhere Lebenserwartung. Diese beläuft sich heute auf 70 Jahre und soll 2100 auf 82 Jahre steigen. In Industrieländern werden die Menschen dann voraussichtlich 89 Jahre alt - und damit elf Jahre älter als heute.

Damit verbunden ist ein starker Anstieg der Senioren weltweit: Der Anteil der über 65-Jährigen an der Weltbevölkerung wird laut UN bis 2050 auf 15,6 Prozent steigen und sich damit gegenüber 2010 mehr als verdoppeln. In Entwicklungsländern wächst die Gruppe der 15-bis 24-Jährigen noch dynamischer; das stellt die Arbeitsmärkte dort vor große Herausforderungen.

Prognostiziert wird auch eine dynamisch wachsende Verstädterung. Schon heute leben nach Darstellung des katholischen Entwicklungshilfswerks Misereor über 3,5 Milliarden Menschen in Städten, davon eine Milliarde in den besonders schnell wachsenden Armenvierteln der Metropolen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Schon heute seien viele der Städte restlos mit der Aufgabe überfordert, Armut, Wohnungsnot und sanitäre Probleme zu lindern.

Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung und schon heute knapp einer Milliarde hungernder Menschen geraten auch die Agrarproduktion und die Ernährungslage in den Blickpunkt. Bis zum Jahr 2030 wird die globale Nachfrage nach Lebensmitteln um 50 Prozent zunehmen, schätzt die Weltbank. Das hängt auch mit veränderten Ernährungsgewohnheiten und einem wachsenden Fleischkonsum zusammen. Für ein Kilo Fleisch ist schließlich die siebenfache Menge an Getreide erforderlich.

Besorgniserregend ist auch, dass die weltweite Agrarproduktion nach Einschätzung internationaler Organisationen langsamer wachsen wird als in den vergangenen zehn Jahren. Knappe Anbauflächen, gestiegene Produktionskosten und Umweltbelastungen: Nach einer Prognose der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Welternährungsorganisation FAO beträgt der Zuwachs im kommenden Jahrzehnt 1,5 Prozent pro Jahr - gegenüber 2,1 Prozent in den vergangenen zehn Jahren. Hungern müsste trotzdem niemand - bei richtiger Verteilung.

Die Weltbevölkerungsuhr findet man im Internet auf www.weltbevoelkerung.de

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