AfD-Fraktion in Stuttgart zerbrochen

Stuttgart · Keine vier Monate nach ihrem Erfolg bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg zerlegt sich die AfD. Grund ist ein Streit um Antisemitismus. Wie es weitergeht, ist ungewiss.

Im Streit um die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den AfD-Politiker Wolfgang Gedeon ist die Fraktion der Partei im baden-württembergischen Landtag zerbrochen. AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen sowie zwölf weitere Abgeordnete verließen gestern die Fraktion im Stuttgarter Landtag. "Wir bedauern, die Trennung vollziehen zu müssen", sagte Meuthen. Grund sei der Konflikt um Gedeon. Bei einer neuen Abstimmung über den Rauswurf des Abgeordneten aus der Fraktion sei die nötige Zweidrittelmehrheit nicht zusammengekommen.

Die rechtspopulistische AfD hat 23 der 143 Sitze im Stuttgarter Parlament. Die 13 aus der Fraktion ausgetretenen Politiker wollen zunächst als eigenständige Abgeordnete weiterarbeiten. Ziel sei aber der Aufbau einer neuen Fraktion. Antisemitismus dürfe es in der Partei nicht geben, sagte Meuthen. "Wir denken nicht daran, als Mehrheit zu weichen", betonte er. Die AfD hatte bei der Landtagswahl 15,1 Prozent der Stimmen erzielt und zwei Direktmandate errungen.

Der AfD-Bundesvorstand unterstützte Meuthen, der auch Co-Vorsitzender der Partei ist. In einer einstimmig beschlossenen Erklärung der Parteispitze hieß es: "Der Bundesvorstand distanziert sich von den Mitgliedern der Fraktion, die nicht mit Jörg Meuthen die Fraktion verlassen." Als Vertreter der AfD im Landtag werde nur die Gruppe um Meuthen anerkannt.

Gestern Abend versuchte Meuthens Widersacherin im AfD-Parteivorstand, Frauke Petry, die Spaltung noch zu verhindern. Nachdem Gedeon seinen Austritt aus der Fraktion verkündet hatte, teilte Petry mit, damit sei die AfD-Spaltung in Baden-Württemberg abgewendet. Dem widerspricht Meuthen. "Der Fraktionsbruch ist rechtskräftig", sagt er gestern Abend nach Gedeons Erklärung. Heute sollen die Abgeordneten zusammenkommen, um über eine mögliche Neugründung der AfD-Fraktion zu tagen, kündigt Meuthen an. Er sah sich in den letzten Wochen Vorwürfen ausgesetzt, in den eigenen Reihen Antisemitismus nicht entschieden genug zu bekämpfen. Er hatte zuerst mit Rücktritt gedroht, sollte Gedeon nicht ausgeschlossen werden, dann blieb er aber zunächst doch.

Eigentlich wollte die AfD die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Gedeon zuletzt durch Gutachter klären lassen. Es seien bereits zwei Gutachten angefertigt worden, sagte Meuthen. Diese seien zu dem Schluss gekommen, dass die Äußerungen von Gedeon antisemitisch seien; er hatte Holocaust-Leugner als "Dissidenten" gewürdigt und überdies den Holocaust als "gewisse Schandtaten" bezeichnet.

Meinung:

Die AfD zerlegt sich

Von SZ-Korrespondent Hagen Strauß

Mit der AfD zerlegt sich die nächste rechte Partei, beginnend in den Ländern. So glänzt die Alternative in Sachsen-Anhalt mit beinharten Flügelkämpfen, und im Saarland soll der Landesverband Kontakte zur rechten Szene unterhalten. Stuttgart wiegt für die AfD besonders schwer. Weil es der Partei in Baden-Württemberg wie in keinem anderen Land gelungen ist, ins bürgerliche Lager vorzudringen. Nur: Dem darf man mit Antisemitismus erst Recht nicht kommen. Die Ereignisse zeigen zudem, wie wenig die AfD über ihr Personal weiß - und wenn doch, wie sehr sie übersieht, wer da mit zwielichtiger Gesinnung für führende Funktionen bereitsteht. Das darf der Wähler nicht ignorieren. Die Lehre von Stuttgart ist deshalb, genau hinzuschauen, wem man seine Stimme gibt.

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