Ärzte-Chef: Praxen sparen heimlich bei Behandlung

Berlin. Im Deutschen Gesundheitswesen werden medizinische Leistungen von den Ärzten "heimlich rationiert". Dies sagte Bundesärztekammer-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe (Foto: ddp) am Sonntag

Berlin. Im Deutschen Gesundheitswesen werden medizinische Leistungen von den Ärzten "heimlich rationiert". Dies sagte Bundesärztekammer-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe (Foto: ddp) am Sonntag. Ärzte und Kliniken stünden unter Budgetdruck und entschieden deshalb je nach Fall, bei welchem Patienten sich eine teure individuelle Behandlung besonders lohne, erklärte Hoppe der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Im Gesundheitswesen stehe nicht genügend Geld zur Verfügung, um allen Menschen die optimale Therapie zu verschaffen. Er forderte Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) auf, eine offene Debatte darüber zu führen, welche Patienten und Krankheiten künftig mit welcher Priorität behandelt werden. Derzeit sei es der einzelne Arzt, der das verantworte. Eine Sprecherin Röslers sagte, Aufgabe des Ministeriums sei es, eine medizinische Versorgung auf hohem Niveau zu erhalten. Eine "Priorisierung" lehne der Gesundheitsminister "schon aus ethischen Gründen" klar ab. Ähnlich äußerte sich der GKV-Spitzenverband, die Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen. "Es ist unverständlich, dass die Bundesärztekammer einer Rationierung das Wort redet, statt konstruktive Vorschläge für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens zu machen", sagte dessen Sprecher Florian Lanz. Unterstützung erhielt Hoppe laut "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" dagegen von Medizinethikern und Gesundheitsökonomen. Die Diskussion über eine Rationierung im Gesundheitssystem müsse jetzt geführt werden, sagte der Gesundheitsökonom Friedrich Breyer von der Universität Konstanz. Das Wirtschaftswachstum verlangsame sich, und die Menschen würden immer älter. "Wir schaffen es nicht mehr, den Zuwachs an medizinischem Wissen und Kosten durch unsere wachsende Wirtschaft zu finanzieren." Die Kölner Medizinethikerin Christiane Woopen sagte, dass es in Deutschland ein Tabu sei, darüber zu sprechen, welche Krankheiten mit welcher Priorität behandelt werden. Dieses Tabu sollte dringend aufgehoben werden, so Woopen. dpa/red

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