Ackermann gibt Rätsel auf

Zürich/Frankfurt · Josef Ackermann ist wieder in den Schlagzeilen. Wegen des mutmaßlichen Selbstmordes eines Managers gibt der Ex-Deutsche-Bank-Chef sein Spitzenamt beim Versicherungskonzern Zurich auf. Die Hintergründe sind rätselhaft.

Josef Ackermann ist für seine Fettnäpfchen, aber auch für schnelle und durchdachte Entscheidungen bekannt geworden. Der einstige Chef der Deutschen Bank gilt als ein Mann, der klare Worte schätzt und sie selbst in schwierigen Situationen findet. Doch sein Rücktritt vom einflussreichen Amt des Verwaltungsratspräsidenten der Zurich-Versicherungsgruppe hat viele in dem Weltkonzern am Zürcher See überrascht und verwirrt. Vier Tage nach dem mutmaßlichen Selbstmord des Zurich-Finanzchefs Pierre Wauthier erklärte Ackermann gestern: "Ich habe Grund zur Annahme, dass die Familie meint, ich solle meinen Teil der Verantwortung hierfür tragen, ungeachtet dessen, wie unbegründet dies objektiv betrachtet auch sein mag." Er wolle "jegliche Rufschädigung zu Lasten von Zurich" vermeiden.

Mehr als nach dieser Erklärung ist in der Schweizer Banken- und Wirtschaftsmetropole wohl kaum jemals über den Abgang eines Top-Managers gerätselt worden. Ackermanns Schritt, stellt die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) in ihrer Online-Ausgabe fest, werfe "zum jetzigen Zeitpunkt mehr Fragen auf, als dass er Antworten gibt".

Ackermann reizt die Massen wie kaum ein anderer Manager: Bis Ende Mai 2012 Chef der Deutschen Bank, galt er vielen Deutschen lange als Buhmann der Nation. Einer, der zu Beginn seiner Amtszeit als unsensibler Investmentbanker auffällt und 2004 im Gerichtssaal beim Mannesmann-Prozess grinsend zwei Finger zum Siegeszeichen emporreckt. Einer, der 2005 tausende Stellen streicht und zugleich ein 25-Prozent-Renditeziel verkündet.

In der Finanzkrise präsentiert sich Ackermann geläutert: Er räumt Fehler der Banken ein und bügelt kritische Fragen von Kleinaktionären auf Hauptversammlungen nicht einfach ab. Vom Auftritt eines Streubombenopfers im Mai 2011 zeigt er sich so betroffen, dass die Bank kurz darauf sämtliche Geschäftsverbindungen zu Mischkonzernen kappt, die auch solche international geächteten Waffen herstellen. "Kein Geschäft ist es wert, den guten Ruf der Deutschen Bank aufs Spiel zu setzen" - wie ein Mantra trägt Ackermann dieses Credo in seinen letzten Jahren an der Deutschen-Bank-Spitze vor sich her. Die Finanzkrise habe Ackermann "nachdenklicher, menschlicher" gemacht, sagt jemand aus dem nächsten Umfeld.

Jetzt ist Ackermann wieder in den Schlagzeilen. "Trägt Ackermann Mitschuld am Tod des Finanzchefs?", titelt die Online-Zeitung "20 Minuten". Wauthiers Witwe habe den Verwaltungsratspräsidenten beschuldigt, ihren Mann in die Enge getrieben zu haben, berichtet dort der angesehene Schweizer Wirtschaftsjournalist Lukas Hässig. Er beruft sich auf eine Quelle aus dem Umfeld von Ackermann. Öffentlich oder im direkten Gespräch mit Reportern hat sich die Frau bislang nicht geäußert.

Nun seien Spekulationen Tür und Tor geöffnet, stellt die NZZ fest. War Wauthier überlastet, stand er tatsächlich unter zu starkem Druck seitens des Verwaltungsrates? Schwer vorstellbar ist das nach Einschätzung von Personen, die Wauthier kurz vor seinem Tod noch bei einem Straßentheater antrafen. Sie hätten bei ihm "nicht die geringsten Anzeichen für eine ausweglose Situation" erkennen können, hieß es in der Zeitung. "Pierre Wauthier wirkte so wie immer, nämlich ausgeglichen und geduldig."

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