Acht Minister sollen Streit um die Prämie lösen

Berlin. Vier Monate nach ihrem Amtsantritt sucht die Bundesregierung mit einem Großaufgebot die Lösung einer ihrer größten Streitfragen. Das halbe Kabinett soll von 17. März an in einer Kommission eine nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen vorbereiten. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP, Foto: dpa) leitet das Gremium aus acht Ministern

Berlin. Vier Monate nach ihrem Amtsantritt sucht die Bundesregierung mit einem Großaufgebot die Lösung einer ihrer größten Streitfragen. Das halbe Kabinett soll von 17. März an in einer Kommission eine nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen vorbereiten. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP, Foto: dpa) leitet das Gremium aus acht Ministern. Bis 2013 will er in pauschale Beiträge plus Sozialausgleich für Arme einsteigen. Die wichtigsten Fragen:

Warum eine neue Gesundheitsreform?

Das Defizit der Krankenkassen steigt 2011 nach Schätzungen auf zehn bis knapp zwölf Milliarden Euro. Ohne Kurswechsel müssten die meisten der rund 50 Millionen zahlenden Mitglieder Zusatzbeiträge zahlen. Höhere Steuerzuschüsse werden wegen der Schuldenbremse fraglich. Gegen eine Erhöhung des 14,9-prozentigen Beitragssatzes für Arbeitgeber und -nehmer spricht der Wille der Koalition, die Unternehmen nicht mehr zu belasten. In der alternden Gesellschaft mit mehr Kranken und weniger jungen Beitragszahlern steigt der Finanzdruck künftig weiter.

Was soll die Regierungskommission leisten?

Die jüngste Reform unter Regie von Rösler-Vorgängerin Ulla Schmidt (SPD) brachte die große Koalition 2006 an den Rand des Scheiterns. Fachpolitiker wollten viel und verhakten sich in endlosen Tages- und Nachtsitzungen. Dagegen konzentriert sich die neue Regierungskoalition zunächst auf die Kassenfinanzen. Ausgabenbremsen und neue Ärzte-Regeln soll es parallel geben.

Allerdings sind die wenigsten teilnehmenden Minister im Gesundheitsfach bisher aufgefallen. Fachpolitiker, Experten und Landesvertreter haben Gaststatus oder werden extra geladen. Die Kommission dürfte nur Grundzüge vorschlagen - vielleicht müssen am Ende doch die Chefs von CSU, CSU und FDP den Knoten durchschlagen.

Was könnte herauskommen?

"Bei einer sachlichen Debatte werden wir alle sehr schnell feststellen, dass eine Kopfpauschale kein deutschlandtaugliches Modell ist", sagt Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU). Rösler will Zweifel zerstreuen: "Eine Prämie mit Sozialausgleich hilft, die Höhe der Sozialabgaben und die Kostenentwicklung zu entkoppeln. Und sie bringt mehr Wettbewerb zwischen den Kassen."

Rösler will zunächst nur einen Teil des 7,9-prozentigen Arbeitnehmerbeitrags in eine Pauschale ummünzen. Der soziale Ausgleich würde bis zu zehn Milliarden Euro jährlich kosten. Steuern sollen laut Rösler dafür nicht erhöht werden. Eine Rolle spiele aber der heutige Bundeszuschuss von fast 16 Milliarden Euro, deutet Rösler-Sprecher Christian Lipicki an.

Wo sehen Kritiker die Risiken?

Gewerkschaften und Opposition fürchten, dass am Sozialausgleich gespart werden könnte. Sie warnen vor Umverteilung von unten nach oben. Schließlich hat sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schon gegen hohe Zuschüsse an Kassen gewandt: "Zaubern kann ich nicht." Ein Sozialausgleich brächte auch mehr Bürokratie - das will Rösler vermeiden.

Wie schnell kommt die Reform?

"Wir haben den Termin 2011 immer noch im Blick", sagt Lipicki. Die Kommission müsste dann wohl bis Sommer fertig sein, eine rasche Gesetzgebung müsste folgen. Doch die Kassen könnten mit immer mehr Zusatzbeiträgen auch unter den geltenden Regeln des Gesundheitsfonds weitermachen. Erst 2012 müsste es dann einen höheren Beitragssatz geben, weil der Fonds die Kassen-Ausgaben erst dann zum zweiten Mal in Folge nur bis zu 95 Prozent decken dürfte.

Was wird aus Philipp Rösler?

Für Aufsehen hatte der Minister mit den Worten gesorgt: "Wenn es nicht gelingt, ein vernünftiges Gesundheitsversicherungssystem auf den Weg zu bringen, dann will mich keiner mehr als Gesundheitsminister haben."Eigentlich selbstverständlich, dachte er - und wunderte sich, dass es hinterher hieß: Rösler verknüpfe sein Schicksal mit der Einführung der Pauschalbeiträge. Jetzt setzt er erstmal auf die Kraft seiner noch unbekannten Vorschläge.

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