Abschied von der Alleinherrschaft Linke wittern Morgenluft

Erfurt. Die Zeichen stehen für die Thüringer CDU auf Abschied von ihrer Alleinherrschaft. Laut Umfragen werden die Christdemokraten unter Führung von Dieter Althaus bei der Landtagswahl am 30. August ihre absolute Mehrheit einbüßen. Der Regierungschef ist nach einer umstrittenen Kabinettsumbildung und seinem schweren Skiunfall gezeichnet

Erfurt. Die Zeichen stehen für die Thüringer CDU auf Abschied von ihrer Alleinherrschaft. Laut Umfragen werden die Christdemokraten unter Führung von Dieter Althaus bei der Landtagswahl am 30. August ihre absolute Mehrheit einbüßen. Der Regierungschef ist nach einer umstrittenen Kabinettsumbildung und seinem schweren Skiunfall gezeichnet. Trotzdem wird er sein Amt wohl behalten, denn er kann auf die FDP als Koalitionspartner hoffen und notfalls auf die SPD zurückgreifen. Die Chancen des linken Lagers, ihn zu stürzen, sind eher gering. Denn SPD-Chef Christoph Matschie hat sich früh festgelegt: Eine Koalition mit der Linken gibt es nur, wenn die SPD mehr Stimmen erhält - und danach sieht es nicht aus.

Der 51 Jahre alte Althaus, der nach wie vor hohe Popularitätswerte aufweist, spricht selbst nicht mehr von Alleinregierung, sondern nur von einer Gestaltungsmehrheit. "Wir wollen mehr Stimmen als Linke und SPD zusammen", lautet seine Definition. Nach den letzten Umfragen kämen die Linken bei der Landtagswahl auf 24 Prozent, die SPD auf 20. Zusammen ist das mehr, als Union (34) und FDP (9) derzeit auf die Waage bringen.

Die CDU wirkt seit dem vergangenen Jahr angeschlagen. Im Mai 2008 besetzte Althaus sechs der neun Ministerien neu. Dabei konnte er den rechtslastigen Abgeordneten Peter Krause nicht als Innenminister durchdrücken. Zwei Volksbegehren zur Familienpolitik und zur Mitbestimmung setzten der Regierung zu. Am Neujahrstag dann der schwere Skiunfall in Österreich, bei dem Althaus mit einer Frau zusammenprallte, die daraufhin starb. Er selbst erlitt eine schwere Kopfverletzung. Das Blitz-Urteil mit einer Geldstrafe wegen fahrlässiger Tötung und Althaus' missverständliche Äußerungen zu seiner Schuld sorgten für Unverständnis. Seit Mai ist er zurück im politischen Alltag. Im Wahlkampf steigt er sportlich aufs Rad oder geht wandern. "Auf den Unfall werde ich nur noch vereinzelt angesprochen, und dann auch nur mit dem Tenor ,schön, dass Sie wieder da sind'." Dennoch thematisierte Althaus kürzlich in einem Interview den Zusammenprall wieder. "Der Unfall war ein Schub für mehr Sensibilität." Das linke Lager wollte dies eigentlich nicht zum Wahlkampfthema machen, kritisierte Althaus' Aussagen aber als "Selbstinszenierung". Einig sind sich Linke, SPD und Grüne darin, dass der Ministerpräsident abgelöst werden soll. Trotzdem verheddern sie sich in Koalitionsstrategien. Matschie will nicht die Steigbügel für den ersten Ministerpräsidenten der Linken, Bodo Ramelow, halten. "Eine Koalition ist nur möglich, wenn die SPD stärker ist und die Kontrolle behält", lautet sein Credo. Und auch die Grünen tun sich schwer mit der Vorstellung, mit der Linken in einem Boot zu sitzen. Ramelow kontert, das Verhalten von Matschie sei undemokratisch. Immerhin gebe es bei den politischen Forderungen der beiden Parteien etliche Übereinstimmungen. "Wie will denn die SPD in einer Koalition mit der CDU ihre Vorstellungen umsetzen?"

Laut Umfragen können FDP und Grüne, die seit 1994 nicht mehr im Landtag sitzen, jetzt das Zünglein an der Waage werden. Die Liberalen rechnen sicher mit einem Einzug. Spitzenkandidat Uwe Barth verteilt bereits die Posten. In den kommenden Tagen werden sie alle kämpfen - wohl wissend, dass wenige Prozentpunkte die Entscheidung bringen. Auch die Bundesparteien sehen das Kopf-an-Kopf-Rennen und eilen in Mannschaftsstärke zur Unterstützung im Wahlkampf. Berlin. Ein paar Stunden lang schien es so, als hätte die Linke ihre Wahlkampfstrategie fundamental geändert. "Linkspartei zum Verzicht bereit", überschrieb die "Frankfurter Allgemeine" gestern einen Bericht, wonach die Linken bei den anstehenden Landtagswahlen nicht mehr darauf beharrten, einen eigenen Ministerpräsidenten zu stellen, sollten sie mehr Stimmen erhalten als die SPD. Doch das Dementi ließ nicht lange auf sich warten. Flugs meldete sich der Linkskandidat für den Regierungschef-Sessel in Thüringen, Bodo Ramelow (Foto: ddp), zu Wort: "Es gibt nichts zu verzichten." Klar sei, "die stärkere Partei schlägt die Person des Ministerpräsidenten vor", erklärte Ramelow. Dabei hatte er noch am Wochenende gegenteilige Spekulationen befeuert: "Ich brauche keinen Schreibtisch", ließ sich Ramelow zitieren.

Der ehemalige Wahlkampfmanager und Vordenker der Linken, Andre Brie, warnte seine Partei indes vor einem dogmatischen Umgang mit dem Problem. Wer am Ende den Regierungschef stelle, hänge konkret vom Wahlergebnis und der Situation in dem jeweiligen Land ab, sagte Brie unserer Zeitung. In Thüringen seien die Linken ausdrücklich angetreten, um den Ministerpräsidenten zu stellen. Im Saarland, wo ebenfalls am 30. August gewählt wird, sehe die Linke ihr Hauptziel darin, die CDU-Alleinregierung abzulösen. Deshalb werde man dort auch einen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten mitwählen, erklärte Brie. In Saarbrücken haben die Linken zweifellos die besten Aussichten, zum ersten Mal in einem alten Bundesland mit am Kabinettstisch zu sitzen. Das liegt auch an einem taktischen Schwenk von Oskar Lafontaine. Der Linksparteichef und Spitzenkandidat der Saar-Linken hatte noch Ende 2008 eine Wahl des SPD-Landesvorsitzenden Heiko Maas zum Regierungschef abgelehnt, weil sich Maas zuvor gegen eine Wahl Lafontaines ausgesprochen hatte: "Heiko Maas wird nicht Regierungschef im Saarland." Maas ist bei seinem Standpunkt bis heute geblieben. Doch mittlerweile antwortet Lafontaine auf die Frage, ob die Linken Maas trotzdem zum Regierungschef küren würden: "Wenn die SPD stärker ist als wir, haben wir kein Problem damit." Der Sinneswandel dürfte auch dem Umstand geschuldet sein, dass die Saar-Linken am 30. August wohl schlechter als die SPD abschneiden werden.

Gegenwärtig regieren die Linken nur im Land Berlin in einer rot-roten Koalition mit. Im Osten sind sie in allen Landtagen vertreten. Im Westen verfügen die Linken über Landtagsfraktionen in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Hessen. Auch bei den vorgezogenen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, die ebenfalls parallel zur Bundestagswahl stattfinden, rechnen sich die Linken Chancen aus, erstmals ins Landesparlament einzuziehen. "Wir wollen mehr Stimmen als Linke

und SPD zusammen."

Thüringens Regierungschef

Dieter Althaus (CDU)

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