Abkehr von der atomaren Abrüstung

Washington · US-Präsident Trump denkt laut über einen Ausbau der Nuklearwaffen im Land nach. Das lässt bei Kritikern alle Alarmglocken schrillen.

Selbst im Chaos der ersten Wochen seiner Regierung ist Donald Trump einem Grundsatz treu geblieben. Das Prinzip "Amerika zuerst" soll auf allen Feldern der Politik durchgesetzt werden - offenbar auch in einer neuen Atomwaffen-Doktrin, die in Umrissen erkennbar wird: Der 70-jährige will den Kurs seines Vorgängers Barack Obama bei der nuklearen Abrüstung aufgeben und die USA an die "Spitze des Rudels" bringen, was die Zahl von Atomwaffen angeht. Das wirft viele Fragen auf, auch mit Blick auf Trumps Verhältnis zu Russland.

Trump nähert sich dem sensiblen Bereich der atomaren Rüstung so, wie er andere Themen angeht. Der Präsident will bessere "Deals" für Amerika herausschlagen und die Position der USA als unangefochtene Führungsmacht sichern. In einem Interview sagte der Präsident jetzt, solange es Atomwaffen gebe, dürfe niemand mehr haben als die USA. Er träume zwar von einer Welt ohne Nuklearwaffen. "Aber wenn Länder Atomwaffen besitzen, werden wir an der Spitze des Rudels sein."

Der Präsident bekräftigte eine Aussage aus seinem Wahlkampf, nach der die USA in beklagenswerter Weise gegenüber anderen Atommächten ins Hintertreffen geraten sind. In dem Interview kritisierte er das von Obama ausgehandelte neue START-Abkommen mit Russland über die Begrenzung der Zahl strategischer Atomwaffen als einen von vielen "schlechten Deals" für die USA. Der Vertrag enthalte Zugeständnisse an Russland, "die wir niemals hätten zulassen dürfen". Seine Regierung werde dagegen "gute Deals" abschließen.

Ob das bedeutet, dass die USA den neuen START-Vertrag aufkündigen werden, ist unklar. Laut dem Abkommen sollen Russen und Amerikaner die Zahl ihrer Abschussvorrichtungen für weitreichende Atomwaffen auf jeweils 800 begrenzen. Kritiker werfen Obama vor, der Vertrag habe zu einer Zunahme russischer Atomwaffen bei einem gleichzeitigen deutlichen Abbau des amerikanischen Arsenals geführt. Insgesamt hat Russland nach Angaben der Organisation Ploughshare Fund 7000 Nuklearwaffen, während die USA 6800 der Waffen besitzen.

Obama betrachtete den Vertrag mit Russland und auch das internationale Atomabkommen mit dem Iran als Beiträge zu einem weltweiten Abbau von Nuklearwaffen. Trotz des START-Vertrages verfügen Washington und Moskau nach wie vor über mehr als genug Atomwaffen, um sich gegenseitig zu vernichten.

Kritiker befürchten, dass Trump ein neues atomares Wettrüsten auslösen könnte - was für den neuen Präsidenten offenbar auch kein Problem wäre. Sollte es einen neuen Rüstungswettlauf geben, werde Amerika siegen, sagte Trump nach seinem Wahlsieg im vergangenen Jahr. Die Aussage sorgt für erhebliche Besorgnis.

Wie so oft bei Trump war am Ende nicht klar, was der neue Mann im Weißen Haus nun eigentlich will. Offen ist auch, wie die neue Regierung mit dem bereits laufenden Modernisierungsprogramm des US-Atomwaffenbestandes umgehen will. Das Programm hat ein Volumen von einer Billion Dollar über einen Zeitraum von 30 Jahren. Im Hintergrund stehen zudem die von vielen Experten geäußerten Zweifel an dem für seine Sprunghaftigkeit bekannten Trump, wenn es um die Macht des Präsidenten zur Anordnung eines Atomwaffeneinsatzes geht. In der Frage des Ersteinsatzes atomarer Waffen herrscht bei Trump ebenfalls Unklarheit. Im Wahlkampf hatte er angedeutet, dass er es für möglich halte, mit Nuklearwaffen gegen den Islamischen Staat vorzugehen. Kritiker sind entsetzt. Von einer "gefährlichen Entwicklung für die weltweite Sicherheit" sprach Bruce Blair, Mitbegründer der Abrüstungs-Initiative Global Zero. Trumps Vorstellungen ließen das "Albtraum-Szenario" eines Atomwaffeneinsatzes wahrscheinlicher werden.

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