Nordkoreas Friedensoffensive Girlgroup statt Granaten
PEKING Olympia hat den Durchbruch gebracht. Vor drei Wochen standen sich die beiden koreanischen Staaten noch in feindseligem Schweigen gegenüber. Jetzt treten die beiden Länder sogar gemeinsam bei den Winterspielen an. Am Wochenende bestätigte das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Teilnahme von 22 Sportlern aus Nordkorea bei den bevorstehenden Spielen in Pyeongchang. Die Athleten werden gemeinsam mit ihren Kollegen aus dem Süden ins Stadion einmarschieren – ganz so, als gebe es nach sieben Jahrzehnten der Trennung noch Gemeinsamkeiten zwischen den Ländern. „Die Olympischen Winterspiele öffnen die Tür für eine hellere Zukunft auf der koreanischen Halbinsel“, sagte IOC-Präsident Thomas Bach am Samstag in Lausanne.
Die Friedensbemühungen gehen tatsächlich weit über den Sport hinaus. Möglich ist das, weil Machthaber Kim Jong-Un in seiner Neujahrsansprache die Tür für eine Annäherung geöffnet hat. Die Kehrwende des Nordens ist nach Ansicht von Experten bislang real und ernst gemeint.
Die Sportdiplomaten planen nun hektisch die Bildung einer gemeinsamen Hockey-Mannschaft der Frauen. Damit wären Nord und Süd erstmals seit 1991 wieder öffentlich als ein Land repräsentiert. „Die Bildung eines gemeinsamen Olympiateams ist ein historischer Moment“, sagte Südkoreas Präsident Moon Jae-In. Fast mehr noch als das gemeinsame Hockey-Team gilt der mögliche Auftritt der Girlgroup Moranbong als Zeichen, dass Machthaber Kim milde gesonnen ist. Der Auftritt von Moranbong im Süden ist zwar noch nicht bestätigt. Ein starker Hinweis auf den Gastauftritt ist jedoch die Teilnahme von Hyon Song-wol an den Verhandlungen zwischen Nord- und Südkorea. Hyon ist Leiterin von Moranbong und Mitglied des Zentralkomitees der allmächtigen Arbeiterpartei.
Schon Kims Vater, Kim Jong-Il, hat dem Land seinen Musikgeschmack aufgezwängt. Er liebte Militärmärsche und Schlager. Die entstehende Musikform war eine Art 80er-Jahre-Pop in Uniform. Moranbong ist die Weiterentwicklung davon durch den jüngeren Kim. Nicht nur bei der Musik, auch bei der Optik der Sängerinnen redet er mit. Das Ergebnis: hautenge Outfits mit superkurzen Röcken und kessen Hütchen.
Wenn Moranbong anreist, ist jedoch unklar, wie viel von ihrer üblichen Show erlaubt sein soll. Gleich mehrere ihrer Lieder handeln davon, wie weise und stark Kim Jong-Un ist und zu welcher Größe er Nordkorea führt. Die Videoeinspielungen im Hintergrund zeigen Granateinschläge, Gefechtsübungen, sogar Kernwaffen. Bomben und Raketen sind gleichwohl kein geeignetes Thema für das Friedensprojekt der Olympischen Spiele. Auch der gemeinsame Einmarsch der Athleten beider Koreas ist diplomatisch vermintes Gelände. Die Sportler sollen eine neutrale Fahne hochhalten: Die Vereinigungs-Flagge zeigt die koreanische Halbinsel in einheitlichem Blau vor weißem Hintergrund. Damit können beide Seiten leben, wie Unterhändler signalisiert haben. Die Fahne kam bereits beispielsweise bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin zum Einsatz.
Die Erfolge olympischer Diplomatie sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verhandlungen nach Ende der Spiele wieder deutlich schwieriger werden. Sie werden vermutlich mit Enttäuschungen enden. Kim wird seine Waffen nicht aufgeben. Südkorea wird unter dem Druck der USA kaum Wirtschaftshilfe anbieten können – zumindest nicht ohne konkrete Gegenleistung des Nordens.
Schon jetzt bekommt die Fassade der Friedensbemühungen erste Risse. Gerüchte machen die Runde, dass Kim ausgerechnet einen Tag vor Beginn der Spiele eine große Militärparade in Pjöngjang abhalten will. Der 8. Februar ist Jahrestag der Gründung der nordkoreanischen Armee.
Im Süden wird derweil die Kritik lauter, dass Präsident Moon zu schnell zu viele Zugeständnisse macht. „Wir machen aus den Spielen in Pyeongchang leichtes Spiel für Pjöngjang“, sagte der Oppositions-Abgeordnete Hong Joon-pyo. Er spielte damit auf die Namensähnlichkeit der nordkoreanischen Hauptstadt zu dem kleinen Wintersportort an, in dem die Spiele stattfinden. Umfragen zeigen unterdessen, dass gerade junge Südkoreaner gar nicht an einer großen Annäherung interessiert sind. Der Norden ist für sie ein fremdes, geistig fernes, seltsames, etwas unheimliches Land – so wie für den Rest der Welt auch.