Von Werner Kolhoff Das Programm der Union heißt Angela Merkel

Wenn im Fußball eine Mannschaft zur Halbzeit deutlich zurückliegt, muss sie umschalten – mehr auf Offensive setzen. Der Trainer des führenden Teams hingegen kann seine Leute getrost mit einem „Weiter so“ in die Schlussphase schicken. Verbunden mit dem Hinweis, dem Gegner nicht noch unnötig Räume zu lassen.

Und genauso ist das gemeinsame Wahlprogramm von CDU und CSU gestrickt. Es ist ein Wahlprogramm für alle, ohne Überraschungen, ohne neue Ideen, ohne echte Aufreger. Und genau das ist auch die Absicht der Union. Wieso den politischen Gegnern Angriffspunkte bieten? Wieso grundlegende Reformen planen, wenn doch alles so gut läuft in Deutschland? Wieso polarisieren, wo sich die Mehrheit der Bevölkerung doch Harmonie wünscht?

Nach der aktuellen Datenlage können sich die Partei-Chefs Angela Merkel und Horst Seehofer diese Haltung leisten. Die Wirtschaft ist so stark, dass sie sogar ernsthaft das Ziel „Vollbeschäftigung“ in den Mund nehmen. Ob und wann es erreicht wird, lässt sich sowieso nicht exakt messen. Und die Steuerquellen sprudeln derart nachhaltig, dass der Wink mit maßvollen Entlastungen und Hilfen für Familien nur wohlfeil ist. An sich ist Geld genug für alle da. Wer zufrieden ist mit dem Zustand der Bundesrepublik, wird dieses Programm daher wirklich goutieren. Ebenso, wer das nicht ist, aber Angst vor größeren und einschneidenden Veränderungen hat. Nur wer unter einigen Zuständen regelrecht leidet, etwa der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich, den ungerecht verteilten Bildungschancen oder der ehrgeizlos gewordenen Verkehrs- und Klimapolitik im Land, wird es als provozierend nichtssagend finden.

Interessant ist daher, was nicht in diesem Wahlprogramm steht. Praktisch nichts zur Zukunft der Rente. Und kaum etwas zur Zukunft der Gesundheitsversorgung, das zweite mit der Alterung der Gesellschaft unabwendbar heranrollende Problem. Das Unions-Programm ist auch nicht wirklich demografiefest. Allerdings, das Demografieproblem ist so langfristig, dass man es nicht unbedingt bis zum 24. September 2017 angehen muss. Es fehlt auch eine Aussage zu der von den Christsozialen permanent geforderten Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Die Union klammert ihren internen Streit um dieses Thema einfach aus. Mit diesem Papier weiß eigentlich niemand, wie sich eine neue Merkel-Regierung verhalten wird, wenn wieder ein Flüchtlingsstrom auf Deutschland zu rollen sollte.

Aber so geht nun mal Machtsicherung. Außerdem hat ein eher vages Programm für die Bundeskanzlerin noch einen zusätzlichen Stellenwert: Es bindet sie nicht über Gebühr. Atomausstieg, Ende der Wehrpflicht, Kita-Ausbau und „Ehe für alle“ standen auch in keinem Wahlprogramm der Union – und sind trotzdem politische Realität. Das eigentliche Wahlprogramm von CDU und CSU besteht im Prinzip sowieso nur aus einem einzigen Wort. Es heißt: Angela Merkel.

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