550 000 abgelehnte Asylbewerber im Land

550 000 abgelehnte Asylbewerber in Deutschland? Die Zahl macht Schlagzeilen. Dabei lohnt ein genauer Blick: Ein Großteil der Menschen, die einst einen negativen Bescheid bekamen, haben heute längst eine Aufenthaltserlaubnis. Nur eine kleine Gruppe ist wirklich akut „ausreisepflichtig“.

Was hat es mit den 550 000 Menschen auf sich?

Zum Stichtag 30. Juni 2016 lebten 549 209 Menschen in Deutschland, die irgendwann mal erfolglos einen Asylantrag gestellt haben. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor. Der Großteil dieser Menschen - 406 065 - lebt seit mehr als sechs Jahren im Land. Bei gut 165 000 fiel die negative Asyl-Entscheidung schon in den 90er Jahren.

Aus welchen Ländern kommen sie?

Die meisten stammen aus der Türkei, dem Kosovo, Serbien, Afghanistan, Vietnam, Mazedonien. Aber es sind zum Beispiel auch 13 000 Polen darunter, die vor langer Zeit als Asylsuchende ins Land kamen. Mit dem EU-Beitritt Polens 2004 erübrigte sich die Frage nach dem Aufenthaltsrecht. Jeder EU-Bürger kann seinen Wohnort in der EU frei wählen.

Sind die 550 000 Menschen denn quasi "illegal" in Deutschland?

Nein, keineswegs. Fast die Hälfte von ihnen (46,6 Prozent) hat ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Weitere 34,8 Prozent haben eine befristete Aufenthaltserlaubnis . Das heißt, diese Menschen wurden nach ihrem erfolglosen Asylantrag aus verschiedenen Gründen nicht abgeschoben, sondern erst eine Zeit lang geduldet und bekamen später ein Bleiberecht. Nur für 18,6 Prozent gilt das nicht. Ein Teil von ihnen sind Geduldete - also Menschen, die etwa wegen einer schweren Erkrankung oder fehlender Papiere vorerst im Land bleiben dürfen, allerdings ohne festen Aufenthaltsstatus.

Wie viele Geduldete und "Ausreisepflichtige" gibt es denn?

Ende Juni lebten 168 212 Menschen mit einer Duldung im Land. Darunter können etwa auch Menschen sein, die mit einem Visum nach Deutschland einreisten, aber länger blieben und eine Duldung bekamen, zum Beispiel um ihr Studium abzuschließen. 52 870 Menschen sind als "ausreisepflichtige Personen ohne Duldung" erfasst. Sie haben also keine Erlaubnis zu bleiben und müssten abgeschoben werden, sofern sie nicht freiwillig gehen. Die Zahl könnte aber auch deutlich kleiner sein. Laut Regierung taucht "eine nicht unerhebliche Zahl von Ausreisepflichtigen ohne Duldung" in Deutschland unter.

Was hat das Ganze mit der aktuellen Flüchtlingskrise zu tun?

Nicht viel. Die Zahlen beziehen sich eben auf mehrere Jahrzehnte. Zum Vergleich: Zum Stichtag Ende Juni 2015 - also vor den Flüchtlingswellen aus Syrien, lag die Zahl der "abgelehnten Asylbewerber ", die in Deutschland leben, auch schon bei 538 057.

Warum dann die Aufregung?

Die Abschiebepraxis in Deutschland sorgt seit langem für Streit: Der Vorwurf lautet, die Bundesländer seien hier viel zu zurückhaltend. Manch einer sieht die Zahl 550 000 als Beleg für angebliche Fehler im System, klagt über Staatsversagen - und nimmt es mit den Differenzierungen nicht genau. Die Regierung hat 2015 die Vorgaben für Abschiebungen verschärft. Im Vorjahr verdoppelte sich die Zahl so auf rund 21 000. Und im laufenden Jahr deutet sich eine weitere Steigerung an.

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