Kriminalstatistik Einzelner Serientäter sprengt Kriminalstatistik

Saarbrücken · Entgegen dem Bundestrend stieg im Saarland die Zahl der Wohnungseinbrüche deutlich an. Schuld soll alleine ein Mann sein.

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Foto: SZ

Es war die eine Festnahme, die im saarländischen Innenministerium für Erleichterung sorgte. Die Polizei schnappte im Juni vergangenen Jahres einen Mann, der 420 Wohnungseinbrüche begangen haben soll. In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) hat der mutmaßliche Serientäter tiefe Spuren hinterlassen.

Sein Beutezug durch das Saarland dauerte nach Ansicht der Ermittler wenige Monate, von Ende 2017 bis zum Frühjahr 2018. Bislang ist der Tatverdächtige, ein 30-jähriger Deutscher, aber erst wegen acht Einbrüchen, allerdings nicht in Wohnungen, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Das Amtsgericht Saarbrücken ordnete seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Gegen den Mann wird laut Staatsanwaltschaft in einem Verfahren noch immer ermittelt.

Am vergangenen Freitag verschickte die Pressestelle des Innenministeriums eine Übersicht zur Kriminalstatistik für das Saarland. 2018 gab es bei den Wohnungseinbrüchen im Land einen erheblichen Zuwachs, der hauptsächlich auf das Konto dieses Einzeltäters zu gehen scheint. Durch ihn verzeichnete die Region bei den Einbruchszahlen ein sattes Plus von 23,4 Prozent, das überregional für Furore sorgte. Im Ministerium spricht man von einer „statistischen Besonderheit“. Daher sei der kurzfristige Anstieg kein Alarmsignal. Grundsätzlich sei die Zahl der Delikte seit 2015 fallend. Was stimmt: Vor vier Jahren registrierte die Polizei noch 2437 Einbrüche. 2017 waren es 1391, zuletzt 1716. In etwas mehr als der Hälfte der Fälle blieb es 2018 bei einem Tatversuch.

Trotz des Trends brachte der jüngste Zuwachs in der Kriminalstatistik dem kleinsten Flächenland der Republik im Ländervergleich einen traurigen Spitzenplatz ein. Neben dem Saarland verzeichnete nur Sachsen-Anhalt (plus 3,9 Prozent) mehr Einbrüche als im Vorjahr, in den übrigen Ländern gingen die erfassten Delikte zurück. Deutschlandweit konnte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am vergangenen Dienstag in Berlin einen historischen Rückgang der Wohnungseinbrüche vermelden – um 16,3 Prozent.

Gerald Stock vom Landeskriminalamt (LKA) hatte den statistischen Ausreißer schon vor Monaten bei Treffen mit Kollegen aus dem Bundesgebiet kommen sehen. Dem Kriminaldirektor untersteht im Saarland eine Spezialdienststelle, die seit Februar 2017 ausschließlich Wohnungseinbrüche verfolgt. Die Experten sammeln Fälle aus dem ganzen Land, suchen Zusammenhänge. Denn: „Es gibt Menschen, die mit Einbrüchen ihren Lebensunterhalt verdienen“, sagt Stock. Daher möchte das LKA vornehmlich Bandenstrukturen zerschlagen – oder Serientäter erwischen. Die Aufklärungsquote kletterte nach Einrichtung der Dienststelle in die Höhe. Sie lag 2018 in der Region mit 26,7 Prozent erheblich über dem Bundesdurchschnitt (18,1 Prozent).

Grundsätzlich hat die Kriminalstatistik ihre Tücken. Sie bildet nur die bekannt gewordenen Straftaten ab, das sogenannte Hellfeld. Dagegen steht eine Dunkelziffer, die bei Wohnungseinbrüchen als überschaubar gilt. „Das Anzeigeverhalten ist bei diesen Delikten sehr hoch“, sagt LKA-Mann Stock. Denn Versicherungen verlangen von Betroffenen, dass sie zur Polizei gehen. Eine aktuelle Studie des Bundeskriminalamtes ergab, dass die Anzeigequote bei Wohnungseinbrüchen bundesweit bei 72,5 Prozent liegt.

Zudem taucht eine Tat in der Kriminalstatistik erst dann auf, wenn die Polizei den Fall an die Staatsanwaltschaft abgegeben hat. Das sorgte vor einem Jahr für einen politischen Schlagabtausch im Land.

Der Landtagsabgeordnete Dennis Lander (Linke) hatte Daten aus dem Ermittlungssystem Kristal, in dem die Polizei neue Delikte registriert, mit der Kriminalstatistik abgeglichen. 2017 waren die Einbrüche laut Statistik um 30 Prozent zurückgegangen. Doch: In Kristal waren im selben Zeitraum deutlich mehr Delikte aufgelaufen – vor allem im November und Dezember. Das hatte den Innenexperten der Linksfraktion stutzig gemacht. Er sprach von Überhängen, also Straftaten, die sich im einen Jahr ereignen, aber erst in der Statistik des nächsten Jahres auftauchen. Das sei „normal“, räumte Lander ein. „Nicht normal ist allerdings die Höhe dieser Zahl.“ Er attackierte Innenminister Klaus Bouillon (CDU), warf ihm „Tricks“ vor. Was der Ressortchef weit von sich wies.

 Wohnungseinbrueche_im_Saarland_und_in_Deutschland

Wohnungseinbrueche_im_Saarland_und_in_Deutschland

Foto: SZ/Steffen, Michael

In der saarländischen Kriminalstatistik für 2018 müssten jetzt wohl über 200 Fälle aus dem Vorjahr nacherfasst werden, prohezeite Lander. So ist es nun gekommen. Wegen des Serientäters, der Ende 2017 plötzlich und massiv in Erscheinung trat, dessen mutmaßlich 420 Einbrüche nach dem Fahndungserfolg dann 2018 in die Statistik einflossen, auf einen Schlag.

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