190 Staaten wollen das Klima retten

New York · Praktisch jedes Jahr gibt es einen Umweltgipfel, und die Fortschritte sind oft winzig. Ein Treffen in New York soll den Durchbruch schaffen. Der Umwelt-Musterschüler Deutschland ist aber nur halbherzig vertreten.

 Bei den weltweiten Protesten gingen gestern auch in Indien Menschen auf die Straße. Foto: epa

Bei den weltweiten Protesten gingen gestern auch in Indien Menschen auf die Straße. Foto: epa

Foto: epa

Die Worte in der ganzseitigen Anzeige in der "New York Times" klangen erschreckend. Vom "Verlust der Fähigkeit, uns selbst zu ernähren" und Kriegen war da die Rede, alles als Folge eines Klimawandels. Zu den Urhebern der von 160 Umweltpreisträgern geschalteten Anzeige gehören auch Ernst von Weizsäcker und mehr als 20 weitere Deutsche. Adressat sind die Staats- und Regierungschefs, die sich morgen in New York zu einem Klimaschutz-Gipfel der Vereinten Nationen treffen wollen. Die Hoffnungen sind hoch. Die Widerstände allerdings auch.

New York soll ein bisschen Kopenhagen gutmachen. Auf der UN-Klimakonferenz 2009 hatte es trotz gewaltigen Aufwands nur eine Minimaleinigung gegeben, die noch dazu für niemanden bindend war. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hofft nun auf einen Aufbruch, um den bis Ende 2015 geplanten Weltklimavertrag für mehr als 190 Staaten noch zu schaffen.

Mit Leonardo DiCaprio eröffnet ein echter Star die Konferenz. Es wird sein erster Auftritt als "UN-Friedensbotschafter" sein. Doch der Blick ruht eher auf den Staats- und Regierungschefs und auch auf den Unternehmern und Finanziers. "In diesem Gebäude werden die Menschen versammelt sein, die an den Hebeln der Weltwirtschaft sitzen", kündigte Bans Berater Robert Orr im UN-Hauptquartier an. Schließlich geht es vor allem um Geld. Denn in Kopenhagen wurde immerhin die Gründung des Green Climate Fund vereinbart. Der UN-Klimafonds will von 2020 an jedes Jahr 100 Milliarden Dollar (78 Milliarden Euro) an staatlichen und privaten Geldern mobilisieren, um damit klimarelevante Projekte in Entwicklungsländern zu finanzieren. Bisher sind es im Jahr 2014 nur etwas mehr als 50 Millionen Dollar - für das ursprüngliche Ziel müsste es 2000 Mal so viel sein.

Entsprechende Schlagzeilen machte die deutsche Ankündigung, eine Milliarde Dollar zur Verfügung zu stellen. Doch in New York wird das kaum für Aufregung sorgen, weil die Überbringerin fehlt: Angela Merkel, Bundeskanzlerin des Landes, das in den UN-Sicherheitsrat möchte, wird der Konferenz fernbleiben. Zwar ist Barbara Hendricks (SPD ) da, doch die rückt im UN-Protokoll als Umweltministerin weit nach hinten. Verliert Deutschland seine Rolle als Musterschüler in Umweltfragen? "Eine ehrliche Klimapolitik war bislang so eine Art Markenzeichen dieses modernen, reichen Landes, das betont nicht mit seinen Streitkräften Politik machen wollte. Man hat den Deutschen geglaubt, dass sie es ernst meinen", sagt ein UN-Diplomat. "Wenn man wahrgenommen werden will, sollte man seine Markenzeichnen nicht aufs Spiel setzen."

30 000 Teilnehmer demonstrierten gestern allein in New York für einen besseren Klimaschutz . Weltweit gab es etwa 1000 Aktionen - von Sydney über Neu Delhi bis Berlin. Letztlich wird es darum gehen, dass die Staaten sich bereit erklären, bis 2015 konkrete Minderungsziele zu übermitteln. Denn wenn nicht spätestens von 2020 an der Treibhausgasausstoß sinkt, dürfte das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, nicht zu schaffen sein. Vor dem UN-Klimagipfel in New York mahnen Wissenschaftler eindringlich, beim Klimaschutz rechtzeitig die Kurve zu bekommen. Falls der CO{-2}-Ausstoß weiter so hoch bleibe wie derzeit, überschreite die Erderwärmung bereits in etwa 30 Jahren einen kritischen Wert. Darauf verweisen die Autoren von zwei Übersichtsstudien, die gestern veröffentlicht wurden. Insgesamt dürfe die Menschheit nur etwa 3700 Milliarden Tonnen Kohlendioxid ausstoßen, damit sich die Erde um nicht mehr als zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erwärmt. Zwei Drittel davon seien bereits erreicht, so die Forscher. Zwei Grad Erderwärmung gelten als gerade noch tragbar für Mensch und Natur.

Beim jetzigen Stand seien in drei Jahrzehnten - einer Generation - die noch verbleibenden 1200 Milliarden Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen, erläutern die Autoren des Tyndall Zentrums für Klimaforschung in Norwich. Als Hauptursachen gelten die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Zement-Produktion. Emissionen allein aus diesen Bereichen stiegen im vorigen Jahr um 2,3 Prozent und damit auf den Rekordwert von 36 Milliarden Tonnen. Hinzu kommen 3,2 Tonnen CO{-2} aus der Vernichtung von Wäldern. Weltweit müssten die Emissionen aber um über fünf Prozent pro Jahr reduziert werden, um eine gute Chance zu haben, das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten.

China war 2013 nach Angaben der Studie mit 27,7 Prozent für den größten Anteil der globalen Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich, gefolgt von den USA mit 14,4 Prozent. Die EU kam an dritter Stelle (9,7 Prozent). Sie ist aber eine der wenigen Regionen, in denen der Ausstoß schrumpfte - um 1,8 Prozent. In Deutschland stieg der Wert dagegen an. Der weltweite Durchschnitt lag 2013 bei fünf Tonnen CO{-2} pro Person und Jahr. Nach Einschätzungen des Weltklimarats wird die Temperatur Ende des Jahrhunderts vier Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegen, wenn die Lage so bleibt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
KlimagipfelWenige Tage vor dem UN-Klimagipfel in Kopenhagen sind die Hoffnungen auf einen neuen Klima-Pakt gestiegen. In vielen Ländern, auch Deutschland, ist der Gipfel neuerdings Chefsache. Die Commonwealth-Staaten fordern ein rechtsverbindliches Abkomm
KlimagipfelWenige Tage vor dem UN-Klimagipfel in Kopenhagen sind die Hoffnungen auf einen neuen Klima-Pakt gestiegen. In vielen Ländern, auch Deutschland, ist der Gipfel neuerdings Chefsache. Die Commonwealth-Staaten fordern ein rechtsverbindliches Abkomm
Aus dem Ressort