100 Jahre Schwarz-Rot-Gold Die drei Sehnsuchtsfarben der deutschen Demokraten

Berlin · Vor 100 Jahren wurde Schwarz-Rot-Gold zum ersten Mal deutsches Nationalsymbol. Ungezwungen war der Umgang mit dem Hoheitszeichen aber lange Zeit nicht.

 Ein Gartenzwerg mit einer Deutschland-Flagge. Spätestens seit dem „Sommermärchen“ der Fußball-WM 2006 ist der Umgang mit Schwarz-Rot-Gold deutlich zwangloser als noch in den Jahrzehnten zuvor.

Ein Gartenzwerg mit einer Deutschland-Flagge. Spätestens seit dem „Sommermärchen“ der Fußball-WM 2006 ist der Umgang mit Schwarz-Rot-Gold deutlich zwangloser als noch in den Jahrzehnten zuvor.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Sie ist die Visitenkarte der Bundesrepublik. Doch über viele Jahrzehnte haben sich die Deutschen schwergetan mit ihrer Flagge. Selbst beim Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaften 1954 und 1974 waren nur wenige schwarz-rot-goldene Fahnen zu sehen. 1990, als Deutschland zum dritten Mal bei der WM triumphierte, waren es schon etwas mehr. Im selben Jahr symbolisierte Schwarz-Rot-Gold die vollzogene staatliche Einheit. Die endgültige Wende brachte schließlich das „Sommermärchen“ 2006. Plötzlich waren die Farben, die seit nunmehr genau 100 Jahren Deutschland repräsentieren, allgegenwärtig. Fähnchen schwenken und sich mit den Nationalfarben schmücken war gesellschaftlich weitgehend akzeptiert, Schwarz-Rot-Gold wurde zur Party-Deko.

Mittlerweile allerdings scheinen die Farben von den Rechten gekapert zu werden. Pegida, AfD und Nationalisten führen die Farben mit und erheben damit den Anspruch, für das ganze Volk zu sprechen. „Ist es nicht historisch absurd, wenn diese schwarz-rot-goldene Fahne heute am auffälligsten und am häufigsten ausgerechnet von denen geschwungen wird, die einen neuen nationalistischen Hass entfachen wollen?“, fragte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Anfang Februar in Weimar. Er rief dazu auf, Schwarz-Rot-Gold als „die Farben von Einigkeit und Recht und Freiheit“ zu verteidigen.

Denn: Schwarz-Rot-Gold – das waren seit dem 19. Jahrhundert die Sehnsuchtsfarben der deutschen Demokraten. Heute vor 100 Jahren beschloss der Staatenausschuss der Weimarer Nationalversammlung, diese Tricolore zur Flagge der ersten deutschen Republik zu erheben. Am 3. Juli stimmte die Nationalversammlung mit breiter Mehrheit zu.

Zuvor (und hernach) gab es Streit um die Flagge. Kaisertreue und Radikale von rechts und links verachteten das Symbol der Republik. Während Zentrum und SPD sich für die neue Flagge aussprachen, wandten sich die konservativen Parteien gegen die Ablösung der Farben des Kaiserreichs. Die Soldaten im Weltkrieg hätten für Schwarz-Weiß-Rot gekämpft. Diese Farben dürfe die Regierung dem Volk nicht nehmen. Die USPD verlangte, Deutschland möge eine rote Flagge als Zeichen der Revolution führen.

Die Nationalversammlung schloss einen Kompromiss: „Die Reichsfarben sind Schwarz-Rot-Gold, die Handelsflagge ist Schwarz-Weiß-Rot mit den Reichsfarben in der oberen inneren Ecke“, hieß es in der am 11. August 1919 in Kraft getretenen Verfassung.

Den Ursprung hat das Schwarz-Rot-Gold beim mythenumwobenen Lützowschen Freikorps, das 1813/1814 gegen Napoleon kämpfte. 1817 auf dem Wartburgfest wurde die Fahne mit diesen Farben zum Wahrzeichen der deutschen Burschenschaften.

Zu den Farben der Demokraten wurde Schwarz-Rot-Gold beim Hambacher Fest. Am 27. Mai 1832 versammelten sich mehr als 30 000 Patrioten und Demokraten in der Pfalz, um gegen Zensur und Fürstenwillkür zu protestieren. Die schwarz-rot-goldene Fahne mit der Aufschrift „Deutschlands Wiedergeburt“ wurde auf dem Turm der Hambacher Schlossruine gehisst. Für Staatskanzler Metternich war das „versuchte Aufreizung zum Umsturz“. Währenddessen forderte Heinrich Heine: „Pflanzt die schwarz-rot-goldne Fahne auf die Höhe des deutschen Gedankens, macht sie zur Standarte des freien Menschtums...“

Spätestens mit der Revolution 1848 wurden Schwarz-Rot-Gold als explizit deutsche Farben wahrgenommen. „Pulver ist schwarz, Blut ist rot, golden flackert die Flamme“ lautete das Kampflied Ferdinand Freiligraths. Als am 18. Mai in der Frankfurter Paulskirche erstmals die Nationalversammlung tagte, waren die Straßen und der Sitzungssaal in Schwarz-Rot-Gold geschmückt.

Doch schon wenig später, nach dem Scheitern der Revolution, wurde diese Fahne eingeholt. Reichskanzler Bismarck ereiferte sich über „die Farben des Aufruhrs und der Barrikaden“. Stattdessen setzte sich im preußisch dominierten Kaiserreich das „Schwarz-Weiß-Rot“ durch – eine Verbindung der preußischen Farben Schwarz-Weiß mit den Hansefarben Weiß-Rot. Während der gesamten Weimarer Republik blieb das Schwarz-Rot-Gold umstritten. Die Nazis höhnten „Schwarz-Rot-Senf“ oder „Schwarz-Rot-Scheiße“. Nach 1933 wurde die Hakenkreuzfahne zur Reichsflagge.

Das Grundgesetz kehrte zu Schwarz-Rot-Gold zurück. Auch die DDR berief sich auf diese Nationalfarben. 1959 fügte Ostberlin Ährenkranz, Hammer und Zirkel zur Flagge. Gleich nach der Maueröffnung am 9. November 1989 trennten viele DDR-Bürger diese Embleme heraus.

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