1,1 Millionen Ausländer weniger

In Deutschland leben 1,5 Millionen Menschen weniger als bislang statistisch ausgewiesen. Statt gut 81,7 sind es nur 80,2 Millionen. Das geht aus dem „Zensus 2011“ hervor, den das Statistische Bundesamt gestern veröffentlichte. Das Zahlenwerk gibt auch Auskunft über die Altersstruktur und die Wohnungssituation der Bundesbürger. Hier die zentralen Daten im Überblick:

Was steckt hinter dem "Bevölkerungsschwund"?

Der Einwohnerschwund geht vor allem zu Lasten der Stadtstaaten Berlin und Hamburg. Gegenüber der bisherigen Bevölkerungsfortschreibung sank die Zahl der dort lebenden Menschen um 5,2 beziehungsweise 4,6 Prozent. Bei den meisten anderen Bundesländern liegt die Abweichung unter 1,8 Prozent. Nur in Rheinland-Pfalz ist die Bevölkerungszahl nahezu unverändert (minus 0,2 Prozent) geblieben. Die Statistiker erklären sich das mit dem dort vorhandenen zentralen Melderegister. Aufgrund der neuen Daten verloren vier von vormals 80 Kommunen ihren Status als 100 000-Einwohner-Stadt. Es handelt sich um Siegen, Hildesheim, Salzgitter und Cottbus.

Wie steht's um die Altersstruktur?

Bei der Altersstruktur in Deutschland gibt es keine größeren Veränderungen gegenüber früheren Angaben. Nur knapp 16 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 18 Jahre. 42,3 Prozent sind zwischen 18 und 49. Und immerhin fast genauso viele Bundesbürger (42 Prozent) sind älter als 49 Jahre. Schaut man sich darüber hinaus die Daten zu den Frauen und Männern an, dann ist Deutschland klar "weiblich" geprägt. Von den 80,2 Millionen Einwohnern sind gut 41 Millionen Frauen. Besonders krass ist das Ungleichgewicht der Geschlechter im Alter über 75 Jahre: Rund 2,8 Millionen Männern stehen in dieser Bevölkerungsgruppe gut 4,7 Millionen Frauen gegenüber.

Wie viele Ausländer leben in Deutschland?

Bei den Ausländern gibt es die größten Abweichungen zu den bisherigen Angaben - es sind fast 1,1 Millionen (15 Prozent) weniger. Die Statistiker vermuten, dass diese Bevölkerungsgruppe es mit den Behörden weniger genau nimmt, also zum Beispiel Um- oder Abmeldungen bei den Kommunen vernachlässigt werden. Das könnte auch den deutlichen Bevölkerungsrückgang in Berlin und Hamburg erklären. Insgesamt betrachtet, hat fast jeder fünfte Einwohner in Deutschland einen Migrationshintergrund. Dazu zählen allerdings auch alle Deutschen, die nach 1955 nach Deutschland gekommen sind oder mindestens einen nach 1955 zugewanderten Elternteil haben. Das Jahr gilt als Beginn größerer Einwanderungen durch ausländische Gastarbeiter.

Wie wohnen die Bundesbürger?

Auch bei den Wohnungen hat sich die Notwendigkeit einer statistischen Inventur gezeigt. Die Zahl der Unterkünfte lag zum Stichtag im Mai 2011 bei 41,3 Millionen. Das sind 500 000 mehr als bislang veranschlagt. Dabei wohnt die Mehrheit (rund 54 Prozent) nach wie vor zur Miete. Die Eigentümerquote liegt bundesweit bei knapp 46 Prozent. An der Spitze steht hier das Saarland mit fast 63 Prozent. Schlusslicht ist Berlin, wo nur knapp 16 Prozent eine eigene Immobilie besitzen. Fast jede 20. Wohnung steht leer, in Sachsen ist es sogar jede zehnte. Immerhin fast 330 000 Wohnungen haben weder Toilette noch Bad. Kaum zu glauben, eine durchschnittliche Wohnung in Deutschland ist 90 Quadratmeter groß und hat 4,4 Zimmer

Was unterscheidet die Erhebung von früheren Befragungen?

Die jüngeren Daten über Deutschland basierten in der Vergangenheit nicht auf umfangreichen Befragungen, sondern auf der Fortschreibung von Angaben aus den letzten großen Bevölkerungszählungen in der früheren Bundesrepublik im Jahr 1987 sowie in der ehemaligen DDR im Jahr 1981. Für den "Zensus 2011" wurde etwa jeder zehnte Bundesbürger zu wichtigen demografischen und sozioökonomischen Daten befragt. Außerdem wurden bereits vorhandene Daten der öffentlichen Verwaltung herangezogen. Im Ergebnis sind die Zahlen nun verlässlicher als frühere Statistiken, was auch die deutliche Abweichung bei der eingangs erwähnten Bevölkerungszahl erklärt

Welchen Nutzen hat der "Zensus 2011"?

Die Einwohnerzahlen haben direkten Einfluss auf den Länderfinanzausgleich und die Geldzuweisungen an die Kommunen. Wer viele Einwohner verliert, muss mit geringeren Zuweisungen rechnen. Dennoch könnten sich die Verluste in Grenzen halten, weil der statistische Bevölkerungsschwund nahezu flächendeckend ist. Genaue Berechnungen stehen noch aus. Auch lässt sich aus der Fülle der Daten ableiten, wo mehr Altenheime oder Kindergärten nötig sind. Nach einem Beschluss der EU muss der "Zensus" jetzt übrigens alle zehn Jahre wiederholt werden - das nächste statistische Mammutprojekt steht also 2021 an.

Zum Thema:

HintergrundBeim "Zensus 2011" handelt es sich um das "größte Projekt der deutschen Statistik der letzten Jahrzehnte", wie der Vizepräsident des zentralen Statistik-Amtes, Dieter Sarreither, gestern nicht ohne Stolz bemerkte. Immerhin wurden für die Datensammlung rund acht Millionen Bundesbürger befragt. Mehr als zwei Jahre lang haben die Bundesstatistiker dann gebraucht, um das umfangreiche Material auszuwerten. Herausgekommen ist gewissermaßen eine Momentaufnahme des deutschen Alltags mit Stand 9. Mai 2011. vet

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